Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Leanders aus Schlesien Jch darff nicht länger mehr an deinen grentzen weiden:Der himmel nöthigt mich, itzt in ein land zu scheiden, Jn dem zwar vieles ist, was mich vergnügen kan; Doch treff ich dich, mein kind! und meinen freund nicht an: So kan das paradies mir selbst verdrüßlich werden, Und also bleib ich doch, krieg ich schon hundert heerden Und tausend felder ein, betrübt und unvergnügt: Wofern der himmel nicht einst das gelücke fügt, Daß dein' und meine schaf' aus einem bache trincken: Daß der bemooste brunn, in den die sterne sincken, Wenn sich Florettens bild in sein crystall versenckt, Auch einst mein spiegel wird; und, was mein hertze denckt, Doch eine zarte furcht mir nicht vergönnt zu sagen, Der zephyr aber längst Floretten zugetragen, Einst in der that geschicht! Ach hoffnung! lebe wohl! Jch weiß wohl, daß man nicht auf thürne trauen soll, Die deine hände nur auf sand und träume bauen. Drum lebe wohl! mein kind! ich soll dich nicht mehr schauen. Der turtel-taube girrn, die mich vorlängst gekennt, Hat uns auch wohl gesagt, daß uns der himmel trennt; Und also soll ich dich nicht ferner singen hören, Mein lied wird auch nicht mehr Florettens ruh verstören: Es soll kein rosen-krantz, den du gewunden hast, Um meine schläfe blühn. Das urtheil ist gefaßt; Doch hat es, holdes kind! dein kiel nicht unterschrieben: So ist gleichwohl ein blat der hoffnung übrig blieben: Ein blat, das scharffe lust zwar bald entführen kan; Das aber, scheinet es Florettens gunst nur an, Mir dennoch fähig ist, viel süsses anzudeuten. Verlohrne fantasie! ich muß von dannen schreiten. Florette! gute nacht! Und du, mein Seladon! Der schäferinnen lust, der Musen liebster sohn, Leb allezeit vergnügt! ich muß auch dich verlassen, So sehr ich auch gewünscht, dich ewig zu umfassen: Dich, dessen liebe mich so ungemein ergetzt: Dich, dessen netter vers mich in verwundrung setzt: Dich,
Leanders aus Schleſien Jch darff nicht laͤnger mehr an deinen grentzen weiden:Der himmel noͤthigt mich, itzt in ein land zu ſcheiden, Jn dem zwar vieles iſt, was mich vergnuͤgen kan; Doch treff ich dich, mein kind! und meinen freund nicht an: So kan das paradies mir ſelbſt verdruͤßlich werden, Und alſo bleib ich doch, krieg ich ſchon hundert heerden Und tauſend felder ein, betruͤbt und unvergnuͤgt: Wofern der himmel nicht einſt das geluͤcke fuͤgt, Daß dein’ und meine ſchaf’ aus einem bache trincken: Daß der bemooſte brunn, in den die ſterne ſincken, Wenn ſich Florettens bild in ſein cryſtall verſenckt, Auch einſt mein ſpiegel wird; und, was mein hertze denckt, Doch eine zarte furcht mir nicht vergoͤnnt zu ſagen, Der zephyr aber laͤngſt Floretten zugetragen, Einſt in der that geſchicht! Ach hoffnung! lebe wohl! Jch weiß wohl, daß man nicht auf thuͤrne trauen ſoll, Die deine haͤnde nur auf ſand und traͤume bauen. Drum lebe wohl! mein kind! ich ſoll dich nicht mehr ſchauen. Der turtel-taube girꝛn, die mich vorlaͤngſt gekennt, Hat uns auch wohl geſagt, daß uns der himmel trennt; Und alſo ſoll ich dich nicht ferner ſingen hoͤren, Mein lied wird auch nicht mehr Florettens ruh verſtoͤren: Es ſoll kein roſen-krantz, den du gewunden haſt, Um meine ſchlaͤfe bluͤhn. Das urtheil iſt gefaßt; Doch hat es, holdes kind! dein kiel nicht unterſchrieben: So iſt gleichwohl ein blat der hoffnung uͤbrig blieben: Ein blat, das ſcharffe luſt zwar bald entfuͤhren kan; Das aber, ſcheinet es Florettens gunſt nur an, Mir dennoch faͤhig iſt, viel ſuͤſſes anzudeuten. Verlohrne fantaſie! ich muß von dannen ſchreiten. Florette! gute nacht! Und du, mein Seladon! Der ſchaͤferinnen luſt, der Muſen liebſter ſohn, Leb allezeit vergnuͤgt! ich muß auch dich verlaſſen, So ſehr ich auch gewuͤnſcht, dich ewig zu umfaſſen: Dich, deſſen liebe mich ſo ungemein ergetzt: Dich, deſſen netter vers mich in verwundrung ſetzt: Dich,
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Leanders aus Schleſien
Jch darff nicht laͤnger mehr an deinen grentzen weiden:
Der himmel noͤthigt mich, itzt in ein land zu ſcheiden,
Jn dem zwar vieles iſt, was mich vergnuͤgen kan;
Doch treff ich dich, mein kind! und meinen freund nicht an:
So kan das paradies mir ſelbſt verdruͤßlich werden,
Und alſo bleib ich doch, krieg ich ſchon hundert heerden
Und tauſend felder ein, betruͤbt und unvergnuͤgt:
Wofern der himmel nicht einſt das geluͤcke fuͤgt,
Daß dein’ und meine ſchaf’ aus einem bache trincken:
Daß der bemooſte brunn, in den die ſterne ſincken,
Wenn ſich Florettens bild in ſein cryſtall verſenckt,
Auch einſt mein ſpiegel wird; und, was mein hertze denckt,
Doch eine zarte furcht mir nicht vergoͤnnt zu ſagen,
Der zephyr aber laͤngſt Floretten zugetragen,
Einſt in der that geſchicht! Ach hoffnung! lebe wohl!
Jch weiß wohl, daß man nicht auf thuͤrne trauen ſoll,
Die deine haͤnde nur auf ſand und traͤume bauen.
Drum lebe wohl! mein kind! ich ſoll dich nicht mehr ſchauen.
Der turtel-taube girꝛn, die mich vorlaͤngſt gekennt,
Hat uns auch wohl geſagt, daß uns der himmel trennt;
Und alſo ſoll ich dich nicht ferner ſingen hoͤren,
Mein lied wird auch nicht mehr Florettens ruh verſtoͤren:
Es ſoll kein roſen-krantz, den du gewunden haſt,
Um meine ſchlaͤfe bluͤhn. Das urtheil iſt gefaßt;
Doch hat es, holdes kind! dein kiel nicht unterſchrieben:
So iſt gleichwohl ein blat der hoffnung uͤbrig blieben:
Ein blat, das ſcharffe luſt zwar bald entfuͤhren kan;
Das aber, ſcheinet es Florettens gunſt nur an,
Mir dennoch faͤhig iſt, viel ſuͤſſes anzudeuten.
Verlohrne fantaſie! ich muß von dannen ſchreiten.
Florette! gute nacht! Und du, mein Seladon!
Der ſchaͤferinnen luſt, der Muſen liebſter ſohn,
Leb allezeit vergnuͤgt! ich muß auch dich verlaſſen,
So ſehr ich auch gewuͤnſcht, dich ewig zu umfaſſen:
Dich, deſſen liebe mich ſo ungemein ergetzt:
Dich, deſſen netter vers mich in verwundrung ſetzt:
Dich,
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