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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Begräbniß-Getichte.
Die bey dem grabe tit. herrn Balthasar
Gottfried von Niesemeuschel geleistete
letzte pflicht 1706.

B. S.
HOchseeliger! dein grab ist schon vorlängst gebaut;
Vier jahre haben dir den sarg bißher gezimmert,
Da kaum ein schwacher blick die welt noch angeschimmert:
Du sturbest tag für tag, nicht wie man sonnen schaut,
Nach ihrem untergang zur morgen-röthe kehren;
Dein balsam wolte sich nur nach und nach verzehren,
Und deine kranckheit war prophete von der nacht,
Die endlich in der grufft uns alle gleiche macht.
So gieng dein edler geist schon durch die morschen glieder,
Wie ein geweyhter hauch, zu seiner quelle hin:
Und also war bey dir der himmels-bürger sinn,
Die sterben, eh man stirbt, so sterben sie nicht wieder.
Kein wunder, wenn der leib der seelen lazareth,
Daß die bekerckerten sich aus den fesseln sehnen,
Wann ihnen tod und grufft den weg zur freyheit bähnen,
Natur hegt eine gluth, die nach der höhe geht,
Und heisset brunnen auch ins meer sich wieder stürtzen:
Wenn lauter wermuth will des lebens kost verwürtzen,
So leckt der matte hirsch nach einem frischen naß:
Ein schiff sticht durch die see, und folget dem compaß:
Der pilgrim flieht den wald, wo mörder in den gruben:
Der tauben flügel eilt, wenn es zur arche geht:
Es freut sich Jsrael, wenn es am Jordan steht:
Und Loth geht jauchzende aus Sodom von den buben;
So war dein sinn, dein hertz, du überirrd'scher geist!
Schon längst der todten welt und ihrer lust gestorben:
Du hattest einen zug vom creutz-magnet erworben,
Der immer über sich die kräffte steigen heist.
Was auf der erden war, schien dir, wie glas-crystallen;
Hingegen liessest du die schätze dir gefallen,
Die
Begraͤbniß-Getichte.
Die bey dem grabe tit. herꝛn Balthaſar
Gottfried von Nieſemeuſchel geleiſtete
letzte pflicht 1706.

B. S.
HOchſeeliger! dein grab iſt ſchon vorlaͤngſt gebaut;
Vier jahre haben dir den ſarg bißher gezimmert,
Da kaum ein ſchwacher blick die welt noch angeſchimmert:
Du ſturbeſt tag fuͤr tag, nicht wie man ſonnen ſchaut,
Nach ihrem untergang zur morgen-roͤthe kehren;
Dein balſam wolte ſich nur nach und nach verzehren,
Und deine kranckheit war prophete von der nacht,
Die endlich in der grufft uns alle gleiche macht.
So gieng dein edler geiſt ſchon durch die morſchen glieder,
Wie ein geweyhter hauch, zu ſeiner quelle hin:
Und alſo war bey dir der himmels-buͤrger ſinn,
Die ſterben, eh man ſtirbt, ſo ſterben ſie nicht wieder.
Kein wunder, wenn der leib der ſeelen lazareth,
Daß die bekerckerten ſich aus den feſſeln ſehnen,
Wann ihnen tod und grufft den weg zur freyheit baͤhnen,
Natur hegt eine gluth, die nach der hoͤhe geht,
Und heiſſet brunnen auch ins meer ſich wieder ſtuͤrtzen:
Wenn lauter wermuth will des lebens koſt verwuͤrtzen,
So leckt der matte hirſch nach einem friſchen naß:
Ein ſchiff ſticht durch die ſee, und folget dem compaß:
Der pilgrim flieht den wald, wo moͤrder in den gruben:
Der tauben fluͤgel eilt, wenn es zur arche geht:
Es freut ſich Jſrael, wenn es am Jordan ſteht:
Und Loth geht jauchzende aus Sodom von den buben;
So war dein ſinn, dein hertz, du uͤberirrd’ſcher geiſt!
Schon laͤngſt der todten welt und ihrer luſt geſtorben:
Du hatteſt einen zug vom creutz-magnet erworben,
Der immer uͤber ſich die kraͤffte ſteigen heiſt.
Was auf der erden war, ſchien dir, wie glas-cryſtallen;
Hingegen lieſſeſt du die ſchaͤtze dir gefallen,
Die
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[176/0200] Begraͤbniß-Getichte. Die bey dem grabe tit. herꝛn Balthaſar Gottfried von Nieſemeuſchel geleiſtete letzte pflicht 1706. B. S. HOchſeeliger! dein grab iſt ſchon vorlaͤngſt gebaut; Vier jahre haben dir den ſarg bißher gezimmert, Da kaum ein ſchwacher blick die welt noch angeſchimmert: Du ſturbeſt tag fuͤr tag, nicht wie man ſonnen ſchaut, Nach ihrem untergang zur morgen-roͤthe kehren; Dein balſam wolte ſich nur nach und nach verzehren, Und deine kranckheit war prophete von der nacht, Die endlich in der grufft uns alle gleiche macht. So gieng dein edler geiſt ſchon durch die morſchen glieder, Wie ein geweyhter hauch, zu ſeiner quelle hin: Und alſo war bey dir der himmels-buͤrger ſinn, Die ſterben, eh man ſtirbt, ſo ſterben ſie nicht wieder. Kein wunder, wenn der leib der ſeelen lazareth, Daß die bekerckerten ſich aus den feſſeln ſehnen, Wann ihnen tod und grufft den weg zur freyheit baͤhnen, Natur hegt eine gluth, die nach der hoͤhe geht, Und heiſſet brunnen auch ins meer ſich wieder ſtuͤrtzen: Wenn lauter wermuth will des lebens koſt verwuͤrtzen, So leckt der matte hirſch nach einem friſchen naß: Ein ſchiff ſticht durch die ſee, und folget dem compaß: Der pilgrim flieht den wald, wo moͤrder in den gruben: Der tauben fluͤgel eilt, wenn es zur arche geht: Es freut ſich Jſrael, wenn es am Jordan ſteht: Und Loth geht jauchzende aus Sodom von den buben; So war dein ſinn, dein hertz, du uͤberirrd’ſcher geiſt! Schon laͤngſt der todten welt und ihrer luſt geſtorben: Du hatteſt einen zug vom creutz-magnet erworben, Der immer uͤber ſich die kraͤffte ſteigen heiſt. Was auf der erden war, ſchien dir, wie glas-cryſtallen; Hingegen lieſſeſt du die ſchaͤtze dir gefallen, Die

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/200>, abgerufen am 23.11.2024.