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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Hochzeit-Gedichte.
Weg einsamkeit! Die speise will nicht ein/
Wenn dein verhaßter trieb die blöden sinnen kräncket.
Zu galle wird auch Muscateller-wein/
So die verschwendung selbst auß ihrem becher reichet:
Wenn liebe nicht den zucker überstreut.
Weg einsamkeit!
Weg einsamkeit! Ob dort und hier ein geist
Der welt aus eigensinn sich in der welt entrissen/
Dem abgesagt/ was blut und regung heist/
Und biß ins kalte grab der keuschheit sich beflissen/
So sind es doch nur sonnen ihrer zeit.
Weg einsamkeit!
Weg einsamkeit! Jch gebe gerne zu/
Wenn die verlobte schaar der Römischen Vestalen
Jm winckel sucht der seelen wahre ruh:
Ein geist der feuer fühlt/ mag nicht mit fesseln pralen;
Er folget dem/ was lieb und lust gebeut.
Weg einsamkeit!
Weg einsamkeit! Die seegen-reiche hand
Der gütigen natur wird bald geschäfftig werden;
Sie dencket schon auf ein beliebtes band/
Und will den linden West vermählen mit der erden.
Der früling sucht sein buntes hochzeit-kleid.
Weg einsamkeit!
Weg einsamkeit! Den rüst-baum liebt der wein/
Und pflegt manch schönes blat um dessen stamm zu winden.
Das eisen zeucht der edle wunder-stein/
Der uns gelehrt den weg durch wilde fluth zu finden.
Vom lieben ist nicht holtz und stein befreyt.
Weg einsamkeit!
Weg einsamkeit! Das schoos-kind der natur/
Der mensch/ kan nicht allein ein Zemblisch eiß verbleiben:
Er muß so wol als iede creatur
Sich
L 5
Hochzeit-Gedichte.
Weg einſamkeit! Die ſpeiſe will nicht ein/
Wenn dein verhaßter trieb die bloͤden ſinnen kraͤncket.
Zu galle wird auch Muſcateller-wein/
So die verſchwendung ſelbſt auß ihrem becher reichet:
Wenn liebe nicht den zucker uͤberſtreut.
Weg einſamkeit!
Weg einſamkeit! Ob dort und hier ein geiſt
Der welt aus eigenſinn ſich in der welt entriſſen/
Dem abgeſagt/ was blut und regung heiſt/
Und biß ins kalte grab der keuſchheit ſich befliſſen/
So ſind es doch nur ſonnen ihrer zeit.
Weg einſamkeit!
Weg einſamkeit! Jch gebe gerne zu/
Wenn die verlobte ſchaar der Roͤmiſchen Veſtalen
Jm winckel ſucht der ſeelen wahre ruh:
Ein geiſt der feuer fuͤhlt/ mag nicht mit feſſeln pralen;
Er folget dem/ was lieb und luſt gebeut.
Weg einſamkeit!
Weg einſamkeit! Die ſeegen-reiche hand
Der guͤtigen natur wird bald geſchaͤfftig werden;
Sie dencket ſchon auf ein beliebtes band/
Und will den linden Weſt vermaͤhlen mit der erden.
Der fruͤling ſucht ſein buntes hochzeit-kleid.
Weg einſamkeit!
Weg einſamkeit! Den ruͤſt-baum liebt der wein/
Und pflegt manch ſchoͤnes blat um deſſen ſtamm zu winden.
Das eiſen zeucht der edle wunder-ſtein/
Der uns gelehrt den weg durch wilde fluth zu finden.
Vom lieben iſt nicht holtz und ſtein befreyt.
Weg einſamkeit!
Weg einſamkeit! Das ſchoos-kind der natur/
Der menſch/ kan nicht allein ein Zembliſch eiß verbleiben:
Er muß ſo wol als iede creatur
Sich
L 5
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[167/0177] Hochzeit-Gedichte. Weg einſamkeit! Die ſpeiſe will nicht ein/ Wenn dein verhaßter trieb die bloͤden ſinnen kraͤncket. Zu galle wird auch Muſcateller-wein/ So die verſchwendung ſelbſt auß ihrem becher reichet: Wenn liebe nicht den zucker uͤberſtreut. Weg einſamkeit! Weg einſamkeit! Ob dort und hier ein geiſt Der welt aus eigenſinn ſich in der welt entriſſen/ Dem abgeſagt/ was blut und regung heiſt/ Und biß ins kalte grab der keuſchheit ſich befliſſen/ So ſind es doch nur ſonnen ihrer zeit. Weg einſamkeit! Weg einſamkeit! Jch gebe gerne zu/ Wenn die verlobte ſchaar der Roͤmiſchen Veſtalen Jm winckel ſucht der ſeelen wahre ruh: Ein geiſt der feuer fuͤhlt/ mag nicht mit feſſeln pralen; Er folget dem/ was lieb und luſt gebeut. Weg einſamkeit! Weg einſamkeit! Die ſeegen-reiche hand Der guͤtigen natur wird bald geſchaͤfftig werden; Sie dencket ſchon auf ein beliebtes band/ Und will den linden Weſt vermaͤhlen mit der erden. Der fruͤling ſucht ſein buntes hochzeit-kleid. Weg einſamkeit! Weg einſamkeit! Den ruͤſt-baum liebt der wein/ Und pflegt manch ſchoͤnes blat um deſſen ſtamm zu winden. Das eiſen zeucht der edle wunder-ſtein/ Der uns gelehrt den weg durch wilde fluth zu finden. Vom lieben iſt nicht holtz und ſtein befreyt. Weg einſamkeit! Weg einſamkeit! Das ſchoos-kind der natur/ Der menſch/ kan nicht allein ein Zembliſch eiß verbleiben: Er muß ſo wol als iede creatur Sich L 5

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/177>, abgerufen am 06.05.2024.