Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Verliebte Gedichte. Bezeuge Flavia/ daß schrifft und angedenckenDes treuen freundes dir nicht gantz zu wider sey/ Und wilst du seinen geist nicht unverschuldet kräncken/ So denck itzund an ihn/ und schreib ihm auch darbey. An Algerthen. ACh! könte doch mein geist durch meine feder fliessen/ Wie gerne schlüß er sich in diese reimen ein/ Wie emsig würd' er dir die süssen lippen küssen/ Und einer biene gleich auff deinen rosen seyn. Er würde zärtlich sich auff ihre blätter legen/ Und durch den honig-thau bald truncken seyn gemacht. Dein purpur würd' in ihm dergleichen trieb erregen/ So nur das paradiß zu erst hat angelacht. Auff deinen bergen würd' er rothe beeren suchen/ Wohin dringt endlich doch lieb und auch fürwitz nicht? (Ich muß aus ungedult auff das verhängniß fluchen/ So unlust stählern macht/ und lust wie glaß zerbricht.) So bleibt mein schwacher geist in seinen liebes-schrancken/ Und kommt/ wie dieser brieff/ Algertha/ nicht zu dir/ Verschluckt die hoffnungs-kost/ und tränckt sich in gedancken/ Was ich nicht melden kan/ verdolmerscht das pappier: Wer offtmahls wenig sagt/ thut allzu viel zu wissen/ Nimm meiner liebe pfand/ die schlechte reimen/ an: Du wirst das leben mir ie mehr und mehr versüssen/ Wenn ich in deiner gunst seyn und auch sterben kan. Du schickst mir einen brieff/ geziert mit weisser seide/ Mit gold der zierlichkeit und perlen ausgeschmückt. Und meiner der ist schwartz und geht wie ich im leide/ Daraus die traurigkeit an allen orten blickt. Algerthe/ wo soll ich doch endlich worte finden? Ach! was gewähr ich dir für deine freundlichkeit. Es will mich deine faust mit solchen seilen binden/ Die nicht zernagen kan der scharffe zahn der zeit. Du weist der seelen selbst die fässel anzulegen: O süsse dienstbarkeit/ so nach der freyheit schmeckt! Du kanst mehr lieblichkeit durch deine hand erregen/ Als nicht in Indien das zucker-rohr verdeckt. Wie
Verliebte Gedichte. Bezeuge Flavia/ daß ſchrifft und angedenckenDes treuen freundes dir nicht gantz zu wider ſey/ Und wilſt du ſeinen geiſt nicht unverſchuldet kraͤncken/ So denck itzund an ihn/ und ſchreib ihm auch darbey. An Algerthen. ACh! koͤnte doch mein geiſt durch meine feder flieſſen/ Wie gerne ſchluͤß er ſich in dieſe reimen ein/ Wie emſig wuͤrd’ er dir die ſuͤſſen lippen kuͤſſen/ Und einer biene gleich auff deinen roſen ſeyn. Er wuͤrde zaͤrtlich ſich auff ihre blaͤtter legen/ Und durch den honig-thau bald truncken ſeyn gemacht. Dein purpur wuͤrd’ in ihm dergleichen trieb erregen/ So nur das paradiß zu erſt hat angelacht. Auff deinen bergen wuͤrd’ er rothe beeren ſuchen/ Wohin dringt endlich doch lieb und auch fuͤrwitz nicht? (Ich muß aus ungedult auff das verhaͤngniß fluchen/ So unluſt ſtaͤhlern macht/ und luſt wie glaß zerbricht.) So bleibt mein ſchwacher geiſt in ſeinen liebes-ſchrancken/ Und kommt/ wie dieſer brieff/ Algertha/ nicht zu dir/ Verſchluckt die hoffnungs-koſt/ und traͤnckt ſich in gedancken/ Was ich nicht melden kan/ verdolmerſcht das pappier: Wer offtmahls wenig ſagt/ thut allzu viel zu wiſſen/ Nimm meiner liebe pfand/ die ſchlechte reimen/ an: Du wirſt das leben mir ie mehr und mehr verſuͤſſen/ Wenn ich in deiner gunſt ſeyn und auch ſterben kan. Du ſchickſt mir einen brieff/ geziert mit weiſſer ſeide/ Mit gold der zierlichkeit und perlen ausgeſchmuͤckt. Und meiner der iſt ſchwartz und geht wie ich im leide/ Daraus die traurigkeit an allen orten blickt. Algerthe/ wo ſoll ich doch endlich worte finden? Ach! was gewaͤhr ich dir fuͤr deine freundlichkeit. Es will mich deine fauſt mit ſolchen ſeilen binden/ Die nicht zernagen kan der ſcharffe zahn der zeit. Du weiſt der ſeelen ſelbſt die faͤſſel anzulegen: O ſuͤſſe dienſtbarkeit/ ſo nach der freyheit ſchmeckt! Du kanſt mehr lieblichkeit durch deine hand erregen/ Als nicht in Indien das zucker-rohr verdeckt. Wie
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Verliebte Gedichte.
Bezeuge Flavia/ daß ſchrifft und angedencken
Des treuen freundes dir nicht gantz zu wider ſey/
Und wilſt du ſeinen geiſt nicht unverſchuldet kraͤncken/
So denck itzund an ihn/ und ſchreib ihm auch darbey.
An Algerthen.
C. H. V. H.
ACh! koͤnte doch mein geiſt durch meine feder flieſſen/
Wie gerne ſchluͤß er ſich in dieſe reimen ein/
Wie emſig wuͤrd’ er dir die ſuͤſſen lippen kuͤſſen/
Und einer biene gleich auff deinen roſen ſeyn.
Er wuͤrde zaͤrtlich ſich auff ihre blaͤtter legen/
Und durch den honig-thau bald truncken ſeyn gemacht.
Dein purpur wuͤrd’ in ihm dergleichen trieb erregen/
So nur das paradiß zu erſt hat angelacht.
Auff deinen bergen wuͤrd’ er rothe beeren ſuchen/
Wohin dringt endlich doch lieb und auch fuͤrwitz nicht?
(Ich muß aus ungedult auff das verhaͤngniß fluchen/
So unluſt ſtaͤhlern macht/ und luſt wie glaß zerbricht.)
So bleibt mein ſchwacher geiſt in ſeinen liebes-ſchrancken/
Und kommt/ wie dieſer brieff/ Algertha/ nicht zu dir/
Verſchluckt die hoffnungs-koſt/ und traͤnckt ſich in gedancken/
Was ich nicht melden kan/ verdolmerſcht das pappier:
Wer offtmahls wenig ſagt/ thut allzu viel zu wiſſen/
Nimm meiner liebe pfand/ die ſchlechte reimen/ an:
Du wirſt das leben mir ie mehr und mehr verſuͤſſen/
Wenn ich in deiner gunſt ſeyn und auch ſterben kan.
Du ſchickſt mir einen brieff/ geziert mit weiſſer ſeide/
Mit gold der zierlichkeit und perlen ausgeſchmuͤckt.
Und meiner der iſt ſchwartz und geht wie ich im leide/
Daraus die traurigkeit an allen orten blickt.
Algerthe/ wo ſoll ich doch endlich worte finden?
Ach! was gewaͤhr ich dir fuͤr deine freundlichkeit.
Es will mich deine fauſt mit ſolchen ſeilen binden/
Die nicht zernagen kan der ſcharffe zahn der zeit.
Du weiſt der ſeelen ſelbſt die faͤſſel anzulegen:
O ſuͤſſe dienſtbarkeit/ ſo nach der freyheit ſchmeckt!
Du kanſt mehr lieblichkeit durch deine hand erregen/
Als nicht in Indien das zucker-rohr verdeckt.
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