Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Vermischte Gedichte. 21. Ach meiner augen augapffel und sonne/ Ach meiner seelen beseelender geist! Qvellbrunn der freuden/ und wurtzel der wonne/ Die mein verhängniß mich peinigen heist; Laß dein rubin-glaß der lippen hersincken/ Daß ich daraus mir mein sterben kan trincken. 22. Blicket/ ihr sternen in himmel der liebe/ Blicket ihr spiegel der augen mich an. Lebende sonnen durchstrahlet das trübe/ Das euer abseyn erregen mir kan. Will ich doch willig im blutenden hertzen/ Euere plitzende pfeile verschmertzen. 23. Reiche den perlenen purpur im munde/ Zwischen vergeisterten seuffzen mir dar. Küssen verwundet und heilet die wunde/ Welche von küssen gereitzet erst war. Aber/ wenn wird man die wunde gelosen? Küssen sticht ärger/ als dörner an rosen. 24. Ja/ wenn die lippen auff lippen sich legen/ Wenn kuß und kuß mit ergetzligkeit schertzt/ Fühlet die seele so feuriges regen/ Daß sie fast ausser sich selber weg stertzt. Wenn sie der seuffzer geflügelter wagen Hat auff die küssenden lippen getragen. 25. Fühlen die glieder denn solche geschäffte/ Welche die seelen der seelen entziehn. Bald die ergäntzen die mangelnden kräffte/ Fänget das marck an in adern zu glüh'n/ Und des geblütes erregete flammen Lauffen biß zwischen die lippen zusammen. 26. Die S 3
Vermiſchte Gedichte. 21. Ach meiner augen augapffel und ſonne/ Ach meiner ſeelen beſeelender geiſt! Qvellbrunn der freuden/ und wurtzel der wonne/ Die mein verhaͤngniß mich peinigen heiſt; Laß dein rubin-glaß der lippen herſincken/ Daß ich daraus mir mein ſterben kan trincken. 22. Blicket/ ihr ſternen in himmel der liebe/ Blicket ihr ſpiegel der augen mich an. Lebende ſonnen durchſtrahlet das truͤbe/ Das euer abſeyn erregen mir kan. Will ich doch willig im blutenden hertzen/ Euere plitzende pfeile verſchmertzen. 23. Reiche den perlenen purpur im munde/ Zwiſchen vergeiſterten ſeuffzen mir dar. Kuͤſſen verwundet und heilet die wunde/ Welche von kuͤſſen gereitzet erſt war. Aber/ wenn wird man die wunde geloſen? Kuͤſſen ſticht aͤrger/ als doͤrner an roſen. 24. Ja/ wenn die lippen auff lippen ſich legen/ Wenn kuß und kuß mit ergetzligkeit ſchertzt/ Fuͤhlet die ſeele ſo feuriges regen/ Daß ſie faſt auſſer ſich ſelber weg ſtertzt. Wenn ſie der ſeuffzer gefluͤgelter wagen Hat auff die kuͤſſenden lippen getragen. 25. Fuͤhlen die glieder denn ſolche geſchaͤffte/ Welche die ſeelen der ſeelen entziehn. Bald die ergaͤntzen die mangelnden kraͤffte/ Faͤnget das marck an in adern zu gluͤh’n/ Und des gebluͤtes erregete flammen Lauffen biß zwiſchen die lippen zuſammen. 26. Die S 3
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Vermiſchte Gedichte.
21.
Ach meiner augen augapffel und ſonne/
Ach meiner ſeelen beſeelender geiſt!
Qvellbrunn der freuden/ und wurtzel der wonne/
Die mein verhaͤngniß mich peinigen heiſt;
Laß dein rubin-glaß der lippen herſincken/
Daß ich daraus mir mein ſterben kan trincken.
22.
Blicket/ ihr ſternen in himmel der liebe/
Blicket ihr ſpiegel der augen mich an.
Lebende ſonnen durchſtrahlet das truͤbe/
Das euer abſeyn erregen mir kan.
Will ich doch willig im blutenden hertzen/
Euere plitzende pfeile verſchmertzen.
23.
Reiche den perlenen purpur im munde/
Zwiſchen vergeiſterten ſeuffzen mir dar.
Kuͤſſen verwundet und heilet die wunde/
Welche von kuͤſſen gereitzet erſt war.
Aber/ wenn wird man die wunde geloſen?
Kuͤſſen ſticht aͤrger/ als doͤrner an roſen.
24.
Ja/ wenn die lippen auff lippen ſich legen/
Wenn kuß und kuß mit ergetzligkeit ſchertzt/
Fuͤhlet die ſeele ſo feuriges regen/
Daß ſie faſt auſſer ſich ſelber weg ſtertzt.
Wenn ſie der ſeuffzer gefluͤgelter wagen
Hat auff die kuͤſſenden lippen getragen.
25.
Fuͤhlen die glieder denn ſolche geſchaͤffte/
Welche die ſeelen der ſeelen entziehn.
Bald die ergaͤntzen die mangelnden kraͤffte/
Faͤnget das marck an in adern zu gluͤh’n/
Und des gebluͤtes erregete flammen
Lauffen biß zwiſchen die lippen zuſammen.
26. Die
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