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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vorrede.
langen sey. Ist das letzte/ so lasse man doch nur
das dichten bleiben; Denn gar keine verße zu ma-
chen/ ist schlechte schande/ schlimme aber zu ma-
chen/ ist etwas närrisches. Die hochzeiten und be-
gräbnisse würden doch wohl vollzogen werden/
wenn man gleich nicht allemahl dabey reimte;
und wolte man ja einen schatz anbinden/ so fin-
den sich noch allezeit gute leute/ welche um etliche
groschen ein lied/ oder ein verdorbenes Sonnet
auffsetzen. Verspüret man aber von natur zum
dichten eine sonderliche begierde und fähigkeit/ so
forsche man wieder/ wie weit sie gehe/ und ob man
ein blosser verßmacher/ oder ein galanter dichter/
oder in der Poesie groß zu werden gedencke. Das
erste ist am allergemeinsten: denn die meisten be-
gnügen sich damit/ wenn sie nur auff einen na-
mens-tag oder hochzeit etwas fingen/ oder ein lu-
stiges lied hinschreiben können; Und solche brau-
chen zu ihrer vollkommenheit schlechte mühe; wie-
wohl es besser wäre/ wenn sie gar zu hause blieben/
und zärtliche ohren mit ihren gedichten nicht erst
beschwerten. Zu dem andern gehören feurige und
auffgeweckte gemüther/ welche in der galanterie
sehr wohl erfahren/ im erfinden kurtz/ in der
ausarbeitung hurtig/ und in allen ihren gedan-
cken seltzam seyn. Und solchen will ich rathen/ daß
sie von den Lateinern den Ovidius, Martialis, Au-
sonius,
und auffs höchste den Claudianus; von

denen

Vorrede.
langen ſey. Iſt das letzte/ ſo laſſe man doch nur
das dichten bleiben; Denn gar keine verße zu ma-
chen/ iſt ſchlechte ſchande/ ſchlimme aber zu ma-
chen/ iſt etwas naͤrriſches. Die hochzeiten und be-
graͤbniſſe wuͤrden doch wohl vollzogen werden/
wenn man gleich nicht allemahl dabey reimte;
und wolte man ja einen ſchatz anbinden/ ſo fin-
den ſich noch allezeit gute leute/ welche um etliche
groſchen ein lied/ oder ein verdorbenes Sonnet
auffſetzen. Verſpuͤret man aber von natur zum
dichten eine ſonderliche begierde und faͤhigkeit/ ſo
forſche man wieder/ wie weit ſie gehe/ und ob man
ein bloſſer verßmacher/ oder ein galanter dichter/
oder in der Poeſie groß zu werden gedencke. Das
erſte iſt am allergemeinſten: denn die meiſten be-
gnuͤgen ſich damit/ wenn ſie nur auff einen na-
mens-tag oder hochzeit etwas fingen/ oder ein lu-
ſtiges lied hinſchreiben koͤnnen; Und ſolche brau-
chen zu ihrer vollkommenheit ſchlechte muͤhe; wie-
wohl es beſſer waͤre/ wenn ſie gar zu hauſe blieben/
und zaͤrtliche ohren mit ihren gedichten nicht erſt
beſchwerten. Zu dem andern gehoͤren feurige und
auffgeweckte gemuͤther/ welche in der galanterie
ſehr wohl erfahren/ im erfinden kurtz/ in der
ausarbeitung hurtig/ und in allen ihren gedan-
cken ſeltzam ſeyn. Und ſolchen will ich rathen/ daß
ſie von den Lateinern den Ovidius, Martialis, Au-
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und auffs hoͤchſte den Claudianus; von

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[0032] Vorrede. langen ſey. Iſt das letzte/ ſo laſſe man doch nur das dichten bleiben; Denn gar keine verße zu ma- chen/ iſt ſchlechte ſchande/ ſchlimme aber zu ma- chen/ iſt etwas naͤrriſches. Die hochzeiten und be- graͤbniſſe wuͤrden doch wohl vollzogen werden/ wenn man gleich nicht allemahl dabey reimte; und wolte man ja einen ſchatz anbinden/ ſo fin- den ſich noch allezeit gute leute/ welche um etliche groſchen ein lied/ oder ein verdorbenes Sonnet auffſetzen. Verſpuͤret man aber von natur zum dichten eine ſonderliche begierde und faͤhigkeit/ ſo forſche man wieder/ wie weit ſie gehe/ und ob man ein bloſſer verßmacher/ oder ein galanter dichter/ oder in der Poeſie groß zu werden gedencke. Das erſte iſt am allergemeinſten: denn die meiſten be- gnuͤgen ſich damit/ wenn ſie nur auff einen na- mens-tag oder hochzeit etwas fingen/ oder ein lu- ſtiges lied hinſchreiben koͤnnen; Und ſolche brau- chen zu ihrer vollkommenheit ſchlechte muͤhe; wie- wohl es beſſer waͤre/ wenn ſie gar zu hauſe blieben/ und zaͤrtliche ohren mit ihren gedichten nicht erſt beſchwerten. Zu dem andern gehoͤren feurige und auffgeweckte gemuͤther/ welche in der galanterie ſehr wohl erfahren/ im erfinden kurtz/ in der ausarbeitung hurtig/ und in allen ihren gedan- cken ſeltzam ſeyn. Und ſolchen will ich rathen/ daß ſie von den Lateinern den Ovidius, Martialis, Au- ſonius, und auffs hoͤchſte den Claudianus; von denen

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/32>, abgerufen am 23.11.2024.