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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Die seegel/ wo hinein bläst der begierden wind/
Ist der gedancken tuch. Verlangen/ hoffnung/ sind
Die ancker. Der magnet ist schönheit. Unser strudel
Sind Bathseben. Der wein und überfluß die rudel.
Der stern/ nach welchen man die steiffen seegel lenckt/
Ist ein benelckter mund. Der port/ wohin man denckt/
Ist eine schöne frau. Die ufer sind die brüste.
Die anfahrt ist ein kuß. Der zielzweck/ süsse lüste.
Wird aber hier umwölckt/ durch blinder brünste rauch/
Die sonne der vernunfft/ so folgt der schiffbruch auch/
Der seelen untergang/ und der verderb des leibes:
Denn beyde tödtet uns der lustbrauch eines weibes.
Wer schneidet aber dir so ruhm als nahmen ab/
Wenn unvernunfft sich stürtzt? gewiß/ der hat sein grab
Im leben schon erlangt. Der hat entzündte sinnen/
Wer nicht dein süsses thun muß inniglich gewinnen/
Dem muß sein kaltes hertz mit eiß umfangen seyn/
Dem deiner flammen plitz nicht dringt zur seelen ein.
Denn soll man/ weil der dorn die finger pflegt zu stechen/
Sich nicht der rosen haupt bemühen abzubrechen?
Soll fenchel-kraut und klee zu pflantzen seyn verwehrt/
Weil ihren süssen safft die schlang' in gifft verkehrt?
Soll auch die wüste see bald unbeseegelt liegen?
Und soll das fluten-pferd nicht mehr die Thetis pflügen/
Wenn einmahl well und wind auff seil und seegel bell'n.
Und ein zerschmettert holtz durch eine klap zerschell'n/
Offt durch des schiffers schuld/ der meistens geht verlohren/
Weil er kein vorsichts-wachs ihm stopffet für die ohren;
Wenn die Sirene pfeifft/ weil er nicht weiß/ wo stein
Und strudel/ frischer brunst/ vermieden müssen seyn.
Der/ wenn die laster weh'n/ die seegel steiffer sinnen
Nicht bald herunter fällt/ noch auch sein schwach beginnen
Will anckern auff vernunfft. Wer in den dorn sich sticht/
Mit dem die käyserin der dornen sich umflicht/
Mag seiner blindheit es/ und nicht den weichen blättern
Der rosen rechnen zu. Wiewohl gleich als mit wettern
Der sommer sich vermischt/ gleich als ein myrrthen-strauch
Zu wachsen nicht allein/ die sonne/ sondern auch
Des regens unmuth darff. So können auch die saaten
Der grünen liebe nicht stets an der sonnen braten;
Es hegt/ nechst dieser/ auch ein fremder anmuths-kuß
Die pflantzen/ die sie wärmt. Der wehmuth regen muß/
Aus den gestirnen qvell'n/ in derer brunn die flamme
Zum ersten sich entspann/ und als die seelen-amme

Die

Vermiſchte Gedichte.
Die ſeegel/ wo hinein blaͤſt der begierden wind/
Iſt der gedancken tuch. Verlangen/ hoffnung/ ſind
Die ancker. Der magnet iſt ſchoͤnheit. Unſer ſtrudel
Sind Bathſeben. Der wein und uͤberfluß die rudel.
Der ſtern/ nach welchen man die ſteiffen ſeegel lenckt/
Iſt ein benelckter mund. Der port/ wohin man denckt/
Iſt eine ſchoͤne frau. Die ufer ſind die bruͤſte.
Die anfahrt iſt ein kuß. Der zielzweck/ ſuͤſſe luͤſte.
Wird aber hier umwoͤlckt/ durch blinder bruͤnſte rauch/
Die ſonne der vernunfft/ ſo folgt der ſchiffbruch auch/
Der ſeelen untergang/ und der verderb des leibes:
Denn beyde toͤdtet uns der luſtbrauch eines weibes.
Wer ſchneidet aber dir ſo ruhm als nahmen ab/
Wenn unvernunfft ſich ſtuͤrtzt? gewiß/ der hat ſein grab
Im leben ſchon erlangt. Der hat entzuͤndte ſinnen/
Wer nicht dein ſuͤſſes thun muß inniglich gewinnen/
Dem muß ſein kaltes hertz mit eiß umfangen ſeyn/
Dem deiner flammen plitz nicht dringt zur ſeelen ein.
Denn ſoll man/ weil der dorn die finger pflegt zu ſtechen/
Sich nicht der roſen haupt bemuͤhen abzubrechen?
Soll fenchel-kraut und klee zu pflantzen ſeyn verwehrt/
Weil ihren ſuͤſſen ſafft die ſchlang’ in gifft verkehrt?
Soll auch die wuͤſte ſee bald unbeſeegelt liegen?
Und ſoll das fluten-pferd nicht mehr die Thetis pfluͤgen/
Wenn einmahl well und wind auff ſeil und ſeegel bell’n.
Und ein zerſchmettert holtz durch eine klap zerſchell’n/
Offt durch des ſchiffers ſchuld/ der meiſtens geht verlohren/
Weil er kein vorſichts-wachs ihm ſtopffet fuͤr die ohren;
Wenn die Sirene pfeifft/ weil er nicht weiß/ wo ſtein
Und ſtrudel/ friſcher brunſt/ vermieden muͤſſen ſeyn.
Der/ wenn die laſter weh’n/ die ſeegel ſteiffer ſinnen
Nicht bald herunter faͤllt/ noch auch ſein ſchwach beginnen
Will anckern auff vernunfft. Wer in den dorn ſich ſticht/
Mit dem die kaͤyſerin der dornen ſich umflicht/
Mag ſeiner blindheit es/ und nicht den weichen blaͤttern
Der roſen rechnen zu. Wiewohl gleich als mit wettern
Der ſommer ſich vermiſcht/ gleich als ein myrrthen-ſtrauch
Zu wachſen nicht allein/ die ſonne/ ſondern auch
Des regens unmuth darff. So koͤnnen auch die ſaaten
Der gruͤnen liebe nicht ſtets an der ſonnen braten;
Es hegt/ nechſt dieſer/ auch ein fremder anmuths-kuß
Die pflantzen/ die ſie waͤrmt. Der wehmuth regen muß/
Aus den geſtirnen qvell’n/ in derer brunn die flamme
Zum erſten ſich entſpann/ und als die ſeelen-amme

Die
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[232/0276] Vermiſchte Gedichte. Die ſeegel/ wo hinein blaͤſt der begierden wind/ Iſt der gedancken tuch. Verlangen/ hoffnung/ ſind Die ancker. Der magnet iſt ſchoͤnheit. Unſer ſtrudel Sind Bathſeben. Der wein und uͤberfluß die rudel. Der ſtern/ nach welchen man die ſteiffen ſeegel lenckt/ Iſt ein benelckter mund. Der port/ wohin man denckt/ Iſt eine ſchoͤne frau. Die ufer ſind die bruͤſte. Die anfahrt iſt ein kuß. Der zielzweck/ ſuͤſſe luͤſte. Wird aber hier umwoͤlckt/ durch blinder bruͤnſte rauch/ Die ſonne der vernunfft/ ſo folgt der ſchiffbruch auch/ Der ſeelen untergang/ und der verderb des leibes: Denn beyde toͤdtet uns der luſtbrauch eines weibes. Wer ſchneidet aber dir ſo ruhm als nahmen ab/ Wenn unvernunfft ſich ſtuͤrtzt? gewiß/ der hat ſein grab Im leben ſchon erlangt. Der hat entzuͤndte ſinnen/ Wer nicht dein ſuͤſſes thun muß inniglich gewinnen/ Dem muß ſein kaltes hertz mit eiß umfangen ſeyn/ Dem deiner flammen plitz nicht dringt zur ſeelen ein. Denn ſoll man/ weil der dorn die finger pflegt zu ſtechen/ Sich nicht der roſen haupt bemuͤhen abzubrechen? Soll fenchel-kraut und klee zu pflantzen ſeyn verwehrt/ Weil ihren ſuͤſſen ſafft die ſchlang’ in gifft verkehrt? Soll auch die wuͤſte ſee bald unbeſeegelt liegen? Und ſoll das fluten-pferd nicht mehr die Thetis pfluͤgen/ Wenn einmahl well und wind auff ſeil und ſeegel bell’n. Und ein zerſchmettert holtz durch eine klap zerſchell’n/ Offt durch des ſchiffers ſchuld/ der meiſtens geht verlohren/ Weil er kein vorſichts-wachs ihm ſtopffet fuͤr die ohren; Wenn die Sirene pfeifft/ weil er nicht weiß/ wo ſtein Und ſtrudel/ friſcher brunſt/ vermieden muͤſſen ſeyn. Der/ wenn die laſter weh’n/ die ſeegel ſteiffer ſinnen Nicht bald herunter faͤllt/ noch auch ſein ſchwach beginnen Will anckern auff vernunfft. Wer in den dorn ſich ſticht/ Mit dem die kaͤyſerin der dornen ſich umflicht/ Mag ſeiner blindheit es/ und nicht den weichen blaͤttern Der roſen rechnen zu. Wiewohl gleich als mit wettern Der ſommer ſich vermiſcht/ gleich als ein myrrthen-ſtrauch Zu wachſen nicht allein/ die ſonne/ ſondern auch Des regens unmuth darff. So koͤnnen auch die ſaaten Der gruͤnen liebe nicht ſtets an der ſonnen braten; Es hegt/ nechſt dieſer/ auch ein fremder anmuths-kuß Die pflantzen/ die ſie waͤrmt. Der wehmuth regen muß/ Aus den geſtirnen qvell’n/ in derer brunn die flamme Zum erſten ſich entſpann/ und als die ſeelen-amme Die

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/276>, abgerufen am 24.11.2024.