Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite
Hochzeit-Gedichte.
Der vertheydigte Pythagoras.
Oder
Die bey der Riemann-Viccischen ver-
mählung behauptete wanderung der
seelen.
DIe schulen wissen noch in ihrer sitten-kunst
Viel vom Pythagoras und seiner schrifft zu sagen:
Er hätte nur der welt für flammen rauch und dunst/
Für früchte leeres stroh und schalen vorgetragen;
Als er durch phantasey zum pfauen sich gemacht/
Der erden aber gar die träume beygebracht:
Daß unsre leiber sich im grabe zwar verzehren/
Die seelen aber stets in f[ris]che cörper kehren.
Doch wer das grosse buch gelehrter welt gesehn/
Und weiß/ wie man das gold mit kupffer kan vermengen/
Was dem und jenem offt für unrecht ist geschehn;
Wie schlang und nattern auch an balsam-stauden hängen/
Wird lernen/ das vielleicht die dinte neuer zeit
Auch seiner lehren grund mit flecken überstreut;
Weil doch die wanderung der seelen auff der erden/
Uns nach gewisser art noch kan erwiesen werden.
Ich will vor dieses mahl mit meiner einfalt nicht
Der pfuschernden natur in ihre kammer steigen;
Wie sie aus steinen drach-und tieger-thiere bricht/
Aus blumen vögel kan/ aus pflantzen lämmer zeugen:
Ich untergrüble nicht die unerhörte that/
Wie GOtt ein lebend weib in saltz verwandelt hat:
Denn ieder mensch führt selbst das uhrwerck in den händen/
Das seine seele kan aus ihrem circkel wenden.
Die erste wanderung/ die Adam vor sich nahm/
Geschah durch seinen fall/ in einen solchen pfauen:
Drum kont er/ da der HErr in garten wieder kam/
Auch mehr nicht ohne scham auff seine füsse schauen.
Wer weiß nicht/ wie sein sohn zum wolffe sich gemacht/
Da sein verdammter grimm den bruder umgebracht?
Und
Hochzeit-Gedichte.
Der vertheydigte Pythagoras.
Oder
Die bey der Riemann-Vicciſchen ver-
maͤhlung behauptete wanderung der
ſeelen.
DIe ſchulen wiſſen noch in ihrer ſitten-kunſt
Viel vom Pythagoras und ſeiner ſchrifft zu ſagen:
Er haͤtte nur der welt fuͤr flammen rauch und dunſt/
Fuͤr fruͤchte leeres ſtroh und ſchalen vorgetragen;
Als er durch phantaſey zum pfauen ſich gemacht/
Der erden aber gar die traͤume beygebracht:
Daß unſre leiber ſich im grabe zwar verzehren/
Die ſeelen aber ſtets in f[ris]che coͤrper kehren.
Doch wer das groſſe buch gelehrter welt geſehn/
Und weiß/ wie man das gold mit kupffer kan vermengen/
Was dem und jenem offt fuͤr unrecht iſt geſchehn;
Wie ſchlang und nattern auch an balſam-ſtauden haͤngen/
Wird lernen/ das vielleicht die dinte neuer zeit
Auch ſeiner lehren grund mit flecken uͤberſtreut;
Weil doch die wanderung der ſeelen auff der erden/
Uns nach gewiſſer art noch kan erwieſen werden.
Ich will vor dieſes mahl mit meiner einfalt nicht
Der pfuſchernden natur in ihre kammer ſteigen;
Wie ſie aus ſteinen drach-und tieger-thiere bricht/
Aus blumen voͤgel kan/ aus pflantzen laͤmmer zeugen:
Ich untergruͤble nicht die unerhoͤrte that/
Wie GOtt ein lebend weib in ſaltz verwandelt hat:
Denn ieder menſch fuͤhrt ſelbſt das uhrwerck in den haͤnden/
Das ſeine ſeele kan aus ihrem circkel wenden.
Die erſte wanderung/ die Adam vor ſich nahm/
Geſchah durch ſeinen fall/ in einen ſolchen pfauen:
Drum kont er/ da der HErr in garten wieder kam/
Auch mehr nicht ohne ſcham auff ſeine fuͤſſe ſchauen.
Wer weiß nicht/ wie ſein ſohn zum wolffe ſich gemacht/
Da ſein verdammter grimm den bruder umgebracht?
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0154" n="110"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Hochzeit-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head><hi rendition="#fr">Der vertheydigte Pythagoras.</hi><lb/>
Oder<lb/><hi rendition="#b">Die bey der Riemann-Vicci&#x017F;chen ver-</hi><lb/>
ma&#x0364;hlung behauptete wanderung der<lb/>
&#x017F;eelen.</head><lb/>
          <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>Ie &#x017F;chulen wi&#x017F;&#x017F;en noch in ihrer &#x017F;itten-kun&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Viel vom Pythagoras und &#x017F;einer &#x017F;chrifft zu &#x017F;agen:</l><lb/>
            <l>Er ha&#x0364;tte nur der welt fu&#x0364;r flammen rauch und dun&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r fru&#x0364;chte leeres &#x017F;troh und &#x017F;chalen vorgetragen;</l><lb/>
            <l>Als er durch phanta&#x017F;ey zum pfauen &#x017F;ich gemacht/</l><lb/>
            <l>Der erden aber gar die tra&#x0364;ume beygebracht:</l><lb/>
            <l>Daß un&#x017F;re leiber &#x017F;ich im grabe zwar verzehren/</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;eelen aber &#x017F;tets in f<supplied>ris</supplied>che co&#x0364;rper kehren.</l><lb/>
            <l>Doch wer das gro&#x017F;&#x017F;e buch gelehrter welt ge&#x017F;ehn/</l><lb/>
            <l>Und weiß/ wie man das gold mit kupffer kan vermengen/</l><lb/>
            <l>Was dem und jenem offt fu&#x0364;r unrecht i&#x017F;t ge&#x017F;chehn;</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;chlang und nattern auch an bal&#x017F;am-&#x017F;tauden ha&#x0364;ngen/</l><lb/>
            <l>Wird lernen/ das vielleicht die dinte neuer zeit</l><lb/>
            <l>Auch &#x017F;einer lehren grund mit flecken u&#x0364;ber&#x017F;treut;</l><lb/>
            <l>Weil doch die wanderung der &#x017F;eelen auff der erden/</l><lb/>
            <l>Uns nach gewi&#x017F;&#x017F;er art noch kan erwie&#x017F;en werden.</l><lb/>
            <l>Ich will vor die&#x017F;es mahl mit meiner einfalt nicht</l><lb/>
            <l>Der pfu&#x017F;chernden natur in ihre kammer &#x017F;teigen;</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ie aus &#x017F;teinen drach-und tieger-thiere bricht/</l><lb/>
            <l>Aus blumen vo&#x0364;gel kan/ aus pflantzen la&#x0364;mmer zeugen:</l><lb/>
            <l>Ich untergru&#x0364;ble nicht die unerho&#x0364;rte that/</l><lb/>
            <l>Wie GOtt ein lebend weib in &#x017F;altz verwandelt hat:</l><lb/>
            <l>Denn ieder men&#x017F;ch fu&#x0364;hrt &#x017F;elb&#x017F;t das uhrwerck in den ha&#x0364;nden/</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;eine &#x017F;eele kan aus ihrem circkel wenden.</l><lb/>
            <l>Die er&#x017F;te wanderung/ die Adam vor &#x017F;ich nahm/</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chah durch &#x017F;einen fall/ in einen &#x017F;olchen pfauen:</l><lb/>
            <l>Drum kont er/ da der HErr in garten wieder kam/</l><lb/>
            <l>Auch mehr nicht ohne &#x017F;cham auff &#x017F;eine fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chauen.</l><lb/>
            <l>Wer weiß nicht/ wie &#x017F;ein &#x017F;ohn zum wolffe &#x017F;ich gemacht/</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ein verdammter grimm den bruder umgebracht?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0154] Hochzeit-Gedichte. Der vertheydigte Pythagoras. Oder Die bey der Riemann-Vicciſchen ver- maͤhlung behauptete wanderung der ſeelen. B. N. DIe ſchulen wiſſen noch in ihrer ſitten-kunſt Viel vom Pythagoras und ſeiner ſchrifft zu ſagen: Er haͤtte nur der welt fuͤr flammen rauch und dunſt/ Fuͤr fruͤchte leeres ſtroh und ſchalen vorgetragen; Als er durch phantaſey zum pfauen ſich gemacht/ Der erden aber gar die traͤume beygebracht: Daß unſre leiber ſich im grabe zwar verzehren/ Die ſeelen aber ſtets in frische coͤrper kehren. Doch wer das groſſe buch gelehrter welt geſehn/ Und weiß/ wie man das gold mit kupffer kan vermengen/ Was dem und jenem offt fuͤr unrecht iſt geſchehn; Wie ſchlang und nattern auch an balſam-ſtauden haͤngen/ Wird lernen/ das vielleicht die dinte neuer zeit Auch ſeiner lehren grund mit flecken uͤberſtreut; Weil doch die wanderung der ſeelen auff der erden/ Uns nach gewiſſer art noch kan erwieſen werden. Ich will vor dieſes mahl mit meiner einfalt nicht Der pfuſchernden natur in ihre kammer ſteigen; Wie ſie aus ſteinen drach-und tieger-thiere bricht/ Aus blumen voͤgel kan/ aus pflantzen laͤmmer zeugen: Ich untergruͤble nicht die unerhoͤrte that/ Wie GOtt ein lebend weib in ſaltz verwandelt hat: Denn ieder menſch fuͤhrt ſelbſt das uhrwerck in den haͤnden/ Das ſeine ſeele kan aus ihrem circkel wenden. Die erſte wanderung/ die Adam vor ſich nahm/ Geſchah durch ſeinen fall/ in einen ſolchen pfauen: Drum kont er/ da der HErr in garten wieder kam/ Auch mehr nicht ohne ſcham auff ſeine fuͤſſe ſchauen. Wer weiß nicht/ wie ſein ſohn zum wolffe ſich gemacht/ Da ſein verdammter grimm den bruder umgebracht? Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/154
Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/154>, abgerufen am 03.05.2024.