Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

wie ich gestorben, alle diese Reichthümer in Staub zu vernichten durch Mittel, die ich dir dann bekannt machen werde. Ich will nicht, daß irgend ein menschlich Wesen, und am wenigsten Madelon und du, in den Besitz des mit Blut erkauften Horts komme. -- Gefangen in diesem Labyrinth des Verbrechens, zerrissen von Liebe und Abscheu, von Wonne und Entsetzen, war ich dem Verdammten zu vergleichen, dem ein holder Engel mild lächelnd hinaufwinkt, aber mit glühenden Krallen festgepackt hält ihn der Satan, und des frommen Engels Liebeslächeln, in dem sich alle Seligkeit des hohen Himmels abspiegelt, wird ihm zur grimmigsten seiner Qualen. Ich dachte an Flucht -- ja an Selbstmord -- aber Madelon! -- Tadelt mich, tadelt mich, mein würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine Leidenschaft niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen fesselte; aber büße ich nicht dafür mit schmachvollem Tode? -- Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. Er liebkos'te Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, trank bei Tische eine Flasche edlen Weins, wie er es nur an hohen Fest- und Feiertagen zu thun pflegte, sang und jubilirte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die Werkstatt. Bleib sitzen, Junge, rief Cardillac, heut keine Arbeit mehr, laß uns noch eins trinken auf das Wohl der allerwürdigsten, vortrefflichsten Dame in Paris. Nachdem ich mit ihm angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, sprach er: Sag an, Olivier! wie gefallen dir die Verse:

wie ich gestorben, alle diese Reichthümer in Staub zu vernichten durch Mittel, die ich dir dann bekannt machen werde. Ich will nicht, daß irgend ein menschlich Wesen, und am wenigsten Madelon und du, in den Besitz des mit Blut erkauften Horts komme. — Gefangen in diesem Labyrinth des Verbrechens, zerrissen von Liebe und Abscheu, von Wonne und Entsetzen, war ich dem Verdammten zu vergleichen, dem ein holder Engel mild lächelnd hinaufwinkt, aber mit glühenden Krallen festgepackt hält ihn der Satan, und des frommen Engels Liebeslächeln, in dem sich alle Seligkeit des hohen Himmels abspiegelt, wird ihm zur grimmigsten seiner Qualen. Ich dachte an Flucht — ja an Selbstmord — aber Madelon! — Tadelt mich, tadelt mich, mein würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine Leidenschaft niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen fesselte; aber büße ich nicht dafür mit schmachvollem Tode? — Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. Er liebkos'te Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, trank bei Tische eine Flasche edlen Weins, wie er es nur an hohen Fest- und Feiertagen zu thun pflegte, sang und jubilirte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die Werkstatt. Bleib sitzen, Junge, rief Cardillac, heut keine Arbeit mehr, laß uns noch eins trinken auf das Wohl der allerwürdigsten, vortrefflichsten Dame in Paris. Nachdem ich mit ihm angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, sprach er: Sag an, Olivier! wie gefallen dir die Verse:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0089"/>
wie ich gestorben, alle diese Reichthümer in Staub zu                vernichten durch Mittel, die ich dir dann bekannt machen werde. Ich will nicht, daß                irgend ein menschlich Wesen, und am wenigsten Madelon und du, in den Besitz des mit                Blut erkauften Horts komme. &#x2014; Gefangen in diesem Labyrinth des Verbrechens, zerrissen                von Liebe und Abscheu, von Wonne und Entsetzen, war ich dem Verdammten zu                vergleichen, dem ein holder Engel mild lächelnd hinaufwinkt, aber mit glühenden                Krallen festgepackt hält ihn der Satan, und des frommen Engels Liebeslächeln, in dem                sich alle Seligkeit des hohen Himmels abspiegelt, wird ihm zur grimmigsten seiner                Qualen. Ich dachte an Flucht &#x2014; ja an Selbstmord &#x2014; aber Madelon! &#x2014; Tadelt mich, tadelt                mich, mein würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine Leidenschaft                niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen fesselte; aber büße ich nicht dafür mit                schmachvollem Tode? &#x2014; Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. Er                liebkos'te Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, trank bei Tische eine                Flasche edlen Weins, wie er es nur an hohen Fest- und Feiertagen zu thun pflegte,                sang und jubilirte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die Werkstatt. Bleib                sitzen, Junge, rief Cardillac, heut keine Arbeit mehr, laß uns noch eins trinken auf                das Wohl der allerwürdigsten, vortrefflichsten Dame in Paris. Nachdem ich mit ihm                angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, sprach er: Sag an, Olivier! wie                gefallen dir die Verse:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] wie ich gestorben, alle diese Reichthümer in Staub zu vernichten durch Mittel, die ich dir dann bekannt machen werde. Ich will nicht, daß irgend ein menschlich Wesen, und am wenigsten Madelon und du, in den Besitz des mit Blut erkauften Horts komme. — Gefangen in diesem Labyrinth des Verbrechens, zerrissen von Liebe und Abscheu, von Wonne und Entsetzen, war ich dem Verdammten zu vergleichen, dem ein holder Engel mild lächelnd hinaufwinkt, aber mit glühenden Krallen festgepackt hält ihn der Satan, und des frommen Engels Liebeslächeln, in dem sich alle Seligkeit des hohen Himmels abspiegelt, wird ihm zur grimmigsten seiner Qualen. Ich dachte an Flucht — ja an Selbstmord — aber Madelon! — Tadelt mich, tadelt mich, mein würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine Leidenschaft niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen fesselte; aber büße ich nicht dafür mit schmachvollem Tode? — Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. Er liebkos'te Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, trank bei Tische eine Flasche edlen Weins, wie er es nur an hohen Fest- und Feiertagen zu thun pflegte, sang und jubilirte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die Werkstatt. Bleib sitzen, Junge, rief Cardillac, heut keine Arbeit mehr, laß uns noch eins trinken auf das Wohl der allerwürdigsten, vortrefflichsten Dame in Paris. Nachdem ich mit ihm angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, sprach er: Sag an, Olivier! wie gefallen dir die Verse:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/89
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/89>, abgerufen am 22.11.2024.