Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

stand heftig auf und sprach: Olivier! -- es kann zwischen uns Beiden nicht so bleiben, dies Verhältniß ist mir unerträglich. Was der feinsten Schlauigkeit Desgrais' und seiner Spießgesellen nicht gelang, zu entdecken, das spielte dir der Zufall in die Hände. Du hast mich geschaut in der nächtlichen Arbeit, zu der mich mein böser Stern treibt, kein Widerstand ist möglich. Auch dein böser Stern war es, der dich mir folgen ließ, der dich in undurchdringliche Schleier hüllte, der deinem Fußtritt die Leichtigkeit gab, daß du unhörbar wandeltest wie das kleinste Thier, so daß ich, der ich in der tiefsten Nacht klar schaue wie der Tiger, der ich Straßen weit das kleinste Geräusch, das Sumsen der Mücke vernehme, dich nicht bemerkte. Dein böser Stern hat dich, meinen Gefährten, mir zugeführt. An Verrath ist, so wie du jetzt stehst, nicht mehr zu denken. Darum magst du Alles wissen. -- Nimmermehr werd' ich dein Gefährte sein, heuchlerischer Bösewicht! so wollt' ich aufschreien, aber das innere Entsetzen, das mich bei Cardillac's Worten erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. Statt der Worte vermochte ich nur einen unverständlichen Laut auszustoßen. Cardillac setzte sich wieder in seinen Arbeitsstuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. Er schien, von der Erinnerung des Vergangenen hart berührt, sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an: Weise Männer sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frauen in guter Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren Einfluß solch lebhaften, willenlosen Eindrucks von außen

stand heftig auf und sprach: Olivier! — es kann zwischen uns Beiden nicht so bleiben, dies Verhältniß ist mir unerträglich. Was der feinsten Schlauigkeit Desgrais' und seiner Spießgesellen nicht gelang, zu entdecken, das spielte dir der Zufall in die Hände. Du hast mich geschaut in der nächtlichen Arbeit, zu der mich mein böser Stern treibt, kein Widerstand ist möglich. Auch dein böser Stern war es, der dich mir folgen ließ, der dich in undurchdringliche Schleier hüllte, der deinem Fußtritt die Leichtigkeit gab, daß du unhörbar wandeltest wie das kleinste Thier, so daß ich, der ich in der tiefsten Nacht klar schaue wie der Tiger, der ich Straßen weit das kleinste Geräusch, das Sumsen der Mücke vernehme, dich nicht bemerkte. Dein böser Stern hat dich, meinen Gefährten, mir zugeführt. An Verrath ist, so wie du jetzt stehst, nicht mehr zu denken. Darum magst du Alles wissen. — Nimmermehr werd' ich dein Gefährte sein, heuchlerischer Bösewicht! so wollt' ich aufschreien, aber das innere Entsetzen, das mich bei Cardillac's Worten erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. Statt der Worte vermochte ich nur einen unverständlichen Laut auszustoßen. Cardillac setzte sich wieder in seinen Arbeitsstuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. Er schien, von der Erinnerung des Vergangenen hart berührt, sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an: Weise Männer sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frauen in guter Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren Einfluß solch lebhaften, willenlosen Eindrucks von außen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0083"/>
stand heftig auf und sprach:                Olivier! &#x2014; es kann zwischen uns Beiden nicht so bleiben, dies Verhältniß ist mir                unerträglich. Was der feinsten Schlauigkeit Desgrais' und seiner Spießgesellen nicht                gelang, zu entdecken, das spielte dir der Zufall in die Hände. Du hast mich geschaut                in der nächtlichen Arbeit, zu der mich mein böser Stern treibt, kein Widerstand ist                möglich. Auch dein böser Stern war es, der dich mir folgen ließ, der dich in                undurchdringliche Schleier hüllte, der deinem Fußtritt die Leichtigkeit gab, daß du                unhörbar wandeltest wie das kleinste Thier, so daß ich, der ich in der tiefsten Nacht                klar schaue wie der Tiger, der ich Straßen weit das kleinste Geräusch, das Sumsen der                Mücke vernehme, dich nicht bemerkte. Dein böser Stern hat dich, meinen Gefährten, mir                zugeführt. An Verrath ist, so wie du jetzt stehst, nicht mehr zu denken. Darum magst                du Alles wissen. &#x2014; Nimmermehr werd' ich dein Gefährte sein, heuchlerischer Bösewicht!                so wollt' ich aufschreien, aber das innere Entsetzen, das mich bei Cardillac's Worten                erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. Statt der Worte vermochte ich nur einen                unverständlichen Laut auszustoßen. Cardillac setzte sich wieder in seinen                Arbeitsstuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. Er schien, von der                Erinnerung des Vergangenen hart berührt, sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an:                Weise Männer sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frauen in guter                Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren Einfluß solch lebhaften, willenlosen                Eindrucks von außen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0083] stand heftig auf und sprach: Olivier! — es kann zwischen uns Beiden nicht so bleiben, dies Verhältniß ist mir unerträglich. Was der feinsten Schlauigkeit Desgrais' und seiner Spießgesellen nicht gelang, zu entdecken, das spielte dir der Zufall in die Hände. Du hast mich geschaut in der nächtlichen Arbeit, zu der mich mein böser Stern treibt, kein Widerstand ist möglich. Auch dein böser Stern war es, der dich mir folgen ließ, der dich in undurchdringliche Schleier hüllte, der deinem Fußtritt die Leichtigkeit gab, daß du unhörbar wandeltest wie das kleinste Thier, so daß ich, der ich in der tiefsten Nacht klar schaue wie der Tiger, der ich Straßen weit das kleinste Geräusch, das Sumsen der Mücke vernehme, dich nicht bemerkte. Dein böser Stern hat dich, meinen Gefährten, mir zugeführt. An Verrath ist, so wie du jetzt stehst, nicht mehr zu denken. Darum magst du Alles wissen. — Nimmermehr werd' ich dein Gefährte sein, heuchlerischer Bösewicht! so wollt' ich aufschreien, aber das innere Entsetzen, das mich bei Cardillac's Worten erfaßt, schnürte mir die Kehle zu. Statt der Worte vermochte ich nur einen unverständlichen Laut auszustoßen. Cardillac setzte sich wieder in seinen Arbeitsstuhl. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne. Er schien, von der Erinnerung des Vergangenen hart berührt, sich mühsam zu fassen. Endlich fing er an: Weise Männer sprechen viel von den seltsamen Eindrücken, deren Frauen in guter Hoffnung fähig sind, von dem wunderbaren Einfluß solch lebhaften, willenlosen Eindrucks von außen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/83
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/83>, abgerufen am 02.05.2024.