Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.müthigste um aller Heiligen willen, doch nur mit möglichster Behutsamkeit das Kästchen zu öffnen. Die Scudery, das verschlossene Geheimniß in der Hand wiegend und prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht beide Gespenster! Daß ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes werth, zu holen sind, das wissen die verruchten Meuchelmörder da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das Innerste der Häuser erspähen, wohl eben so gut als ich und ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen sein? Wem kann was an dem Tode liegen einer Person von drei und siebzig Jahren, die niemals Andere verfolgte als die Bösewichter und Friedensstörer in den Romanen, die sie selbst schuf, die mittelmäßige Verse macht, welche Niemandes Neid erregen können, die Nichts hinterlassen wird, als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar Dutzend gut eingebundener Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und du, Martiniere! du magst nun die Erscheinung des fremden Menschen so schreckhaft beschreiben, wie du willst, doch kann ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen. Also! -- Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank mit einem dumpfen Ach! halb in die Kniee, als das Fräulein nun an einen hervorragenden stählernen Knopf drückte und der Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang. Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Käst- müthigste um aller Heiligen willen, doch nur mit möglichster Behutsamkeit das Kästchen zu öffnen. Die Scudery, das verschlossene Geheimniß in der Hand wiegend und prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht beide Gespenster! Daß ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes werth, zu holen sind, das wissen die verruchten Meuchelmörder da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das Innerste der Häuser erspähen, wohl eben so gut als ich und ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen sein? Wem kann was an dem Tode liegen einer Person von drei und siebzig Jahren, die niemals Andere verfolgte als die Bösewichter und Friedensstörer in den Romanen, die sie selbst schuf, die mittelmäßige Verse macht, welche Niemandes Neid erregen können, die Nichts hinterlassen wird, als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar Dutzend gut eingebundener Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und du, Martiniere! du magst nun die Erscheinung des fremden Menschen so schreckhaft beschreiben, wie du willst, doch kann ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen. Also! — Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank mit einem dumpfen Ach! halb in die Kniee, als das Fräulein nun an einen hervorragenden stählernen Knopf drückte und der Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang. Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Käst- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0033"/> müthigste um aller Heiligen willen, doch nur mit möglichster Behutsamkeit das Kästchen zu öffnen. Die Scudery, das verschlossene Geheimniß in der Hand wiegend und prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht beide Gespenster! Daß ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes werth, zu holen sind, das wissen die verruchten Meuchelmörder da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das Innerste der Häuser erspähen, wohl eben so gut als ich und ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen sein? Wem kann was an dem Tode liegen einer Person von drei und siebzig Jahren, die niemals Andere verfolgte als die Bösewichter und Friedensstörer in den Romanen, die sie selbst schuf, die mittelmäßige Verse macht, welche Niemandes Neid erregen können, die Nichts hinterlassen wird, als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar Dutzend gut eingebundener Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und du, Martiniere! du magst nun die Erscheinung des fremden Menschen so schreckhaft beschreiben, wie du willst, doch kann ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen.</p><lb/> <p>Also! —</p><lb/> <p>Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank mit einem dumpfen Ach! halb in die Kniee, als das Fräulein nun an einen hervorragenden stählernen Knopf drückte und der Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang.</p><lb/> <p>Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Käst-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
müthigste um aller Heiligen willen, doch nur mit möglichster Behutsamkeit das Kästchen zu öffnen. Die Scudery, das verschlossene Geheimniß in der Hand wiegend und prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht beide Gespenster! Daß ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes werth, zu holen sind, das wissen die verruchten Meuchelmörder da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das Innerste der Häuser erspähen, wohl eben so gut als ich und ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen sein? Wem kann was an dem Tode liegen einer Person von drei und siebzig Jahren, die niemals Andere verfolgte als die Bösewichter und Friedensstörer in den Romanen, die sie selbst schuf, die mittelmäßige Verse macht, welche Niemandes Neid erregen können, die Nichts hinterlassen wird, als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar Dutzend gut eingebundener Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und du, Martiniere! du magst nun die Erscheinung des fremden Menschen so schreckhaft beschreiben, wie du willst, doch kann ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen.
Also! —
Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank mit einem dumpfen Ach! halb in die Kniee, als das Fräulein nun an einen hervorragenden stählernen Knopf drückte und der Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang.
Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Käst-
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Zitationshilfe: | Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/33>, abgerufen am 28.07.2024. |