Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

die Liebhaber auf dem heimlichen Schleichwege zur Geliebten sich ängstigen müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne Abenteuer der Galanterie im Aufkeimen tödte, an geistreich-witzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu, daß beim Schluß Alles in einen hochtrabenden Panegyricus auf Ludwig XIV. ausging, so konnte es nicht fehlen, daß der König das Gedicht mit sichtlichem Wohlgefallen durchlas. Damit zu Stande gekommen, drehte er sich, die Augen nicht wegwendend von dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch einmal mit lauter Stimme ab und fragte dann anmuthig lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdeten Liebhaber halte? Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in der Farbe einer gewissen Frömmigkeit, erwiderte, daß geheime verbotene Wege eben keines besonderen Schutzes würdig, die entsetzlichen Verbrecher aber wohl besonderer Maßregeln zu ihrer Vertilgung werth wären. Der König, mit dieser schwankenden Antwort unzufrieden, schlug das Papier zusammen und wollte zurück zu dem Staatssecretär, der in dem andern Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er seitwärts warf, die Scudery ins Auge fiel, die zugegen war und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das anmuthige Lächeln, das erst um Mund und Wangen spielte, und das verschwunden, gewann wieder die Oberhand, und dicht vor dem Fräulein stehend und das Gedicht wieder auseinander faltend

die Liebhaber auf dem heimlichen Schleichwege zur Geliebten sich ängstigen müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne Abenteuer der Galanterie im Aufkeimen tödte, an geistreich-witzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu, daß beim Schluß Alles in einen hochtrabenden Panegyricus auf Ludwig XIV. ausging, so konnte es nicht fehlen, daß der König das Gedicht mit sichtlichem Wohlgefallen durchlas. Damit zu Stande gekommen, drehte er sich, die Augen nicht wegwendend von dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch einmal mit lauter Stimme ab und fragte dann anmuthig lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdeten Liebhaber halte? Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in der Farbe einer gewissen Frömmigkeit, erwiderte, daß geheime verbotene Wege eben keines besonderen Schutzes würdig, die entsetzlichen Verbrecher aber wohl besonderer Maßregeln zu ihrer Vertilgung werth wären. Der König, mit dieser schwankenden Antwort unzufrieden, schlug das Papier zusammen und wollte zurück zu dem Staatssecretär, der in dem andern Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er seitwärts warf, die Scudery ins Auge fiel, die zugegen war und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das anmuthige Lächeln, das erst um Mund und Wangen spielte, und das verschwunden, gewann wieder die Oberhand, und dicht vor dem Fräulein stehend und das Gedicht wieder auseinander faltend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0031"/>
die Liebhaber auf dem heimlichen Schleichwege zur Geliebten sich                ängstigen müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne Abenteuer der                Galanterie im Aufkeimen tödte, an geistreich-witzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu,                daß beim Schluß Alles in einen hochtrabenden Panegyricus auf Ludwig XIV. ausging, so                konnte es nicht fehlen, daß der König das Gedicht mit sichtlichem Wohlgefallen                durchlas. Damit zu Stande gekommen, drehte er sich, die Augen nicht wegwendend von                dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch einmal mit lauter Stimme ab                und fragte dann anmuthig lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdeten Liebhaber                halte? Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in der Farbe einer gewissen                Frömmigkeit, erwiderte, daß geheime verbotene Wege eben keines besonderen Schutzes                würdig, die entsetzlichen Verbrecher aber wohl besonderer Maßregeln zu ihrer                Vertilgung werth wären. Der König, mit dieser schwankenden Antwort unzufrieden,                schlug das Papier zusammen und wollte zurück zu dem Staatssecretär, der in dem andern                Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er seitwärts warf, die Scudery ins                Auge fiel, die zugegen war und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel                Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das anmuthige Lächeln, das erst                um Mund und Wangen spielte, und das verschwunden, gewann wieder die Oberhand, und                dicht vor dem Fräulein stehend und das Gedicht wieder auseinander faltend<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] die Liebhaber auf dem heimlichen Schleichwege zur Geliebten sich ängstigen müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne Abenteuer der Galanterie im Aufkeimen tödte, an geistreich-witzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu, daß beim Schluß Alles in einen hochtrabenden Panegyricus auf Ludwig XIV. ausging, so konnte es nicht fehlen, daß der König das Gedicht mit sichtlichem Wohlgefallen durchlas. Damit zu Stande gekommen, drehte er sich, die Augen nicht wegwendend von dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch einmal mit lauter Stimme ab und fragte dann anmuthig lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdeten Liebhaber halte? Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in der Farbe einer gewissen Frömmigkeit, erwiderte, daß geheime verbotene Wege eben keines besonderen Schutzes würdig, die entsetzlichen Verbrecher aber wohl besonderer Maßregeln zu ihrer Vertilgung werth wären. Der König, mit dieser schwankenden Antwort unzufrieden, schlug das Papier zusammen und wollte zurück zu dem Staatssecretär, der in dem andern Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er seitwärts warf, die Scudery ins Auge fiel, die zugegen war und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das anmuthige Lächeln, das erst um Mund und Wangen spielte, und das verschwunden, gewann wieder die Oberhand, und dicht vor dem Fräulein stehend und das Gedicht wieder auseinander faltend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/31
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/31>, abgerufen am 24.11.2024.