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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Seufzern die Hand auf die Brust, oder vielmehr
auf die Stelle des Magens legte, als empfinde er
tödtliche Schmerzen. Er konnte bald nicht mehr
sprechen, er war genöthigt sich in den Sopha zu
werfen, dann aber verloren plötzlich seine Augen
die Sehkraft und er erstarrte zur bewußtlosen Bild¬
säule. Mit einem Ruck wie aus dem Traume auf¬
fahrend, erwachte er endlich, aber vor Mattigkeit
konnte er mehrere Zeit hindurch sich nicht regen
und bewegen. Mein Arzt, den ich ihm sandte,
behandelte ihn, nachdem andere Mittel fruchtlos
geblieben, magnetisch, und dies schien zu wirken;
wiewohl der Arzt bald davon ablassen mußte, da
er selbst beim Magnetisiren des Kranken von einem
unerträglichen Gefühl des Uebelseyns ergriffen
wurde. Er hatte übrigens des Obristen Zutrauen
gewonnen, und dieser sagte ihm, daß in jenen
Momenten sich ihm das Bild eines Frauenzimmers
nahe, die er in Pisa gekannt; dann würde es ihm
als wenn ihre glühenden Blicke in sein Inneres
führen, und er fühle die unerträglichsten Schmer¬

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Seufzern die Hand auf die Bruſt, oder vielmehr
auf die Stelle des Magens legte, als empfinde er
toͤdtliche Schmerzen. Er konnte bald nicht mehr
ſprechen, er war genoͤthigt ſich in den Sopha zu
werfen, dann aber verloren ploͤtzlich ſeine Augen
die Sehkraft und er erſtarrte zur bewußtloſen Bild¬
ſaͤule. Mit einem Ruck wie aus dem Traume auf¬
fahrend, erwachte er endlich, aber vor Mattigkeit
konnte er mehrere Zeit hindurch ſich nicht regen
und bewegen. Mein Arzt, den ich ihm ſandte,
behandelte ihn, nachdem andere Mittel fruchtlos
geblieben, magnetiſch, und dies ſchien zu wirken;
wiewohl der Arzt bald davon ablaſſen mußte, da
er ſelbſt beim Magnetiſiren des Kranken von einem
unertraͤglichen Gefuͤhl des Uebelſeyns ergriffen
wurde. Er hatte uͤbrigens des Obriſten Zutrauen
gewonnen, und dieſer ſagte ihm, daß in jenen
Momenten ſich ihm das Bild eines Frauenzimmers
nahe, die er in Piſa gekannt; dann wuͤrde es ihm
als wenn ihre gluͤhenden Blicke in ſein Inneres
fuͤhren, und er fuͤhle die unertraͤglichſten Schmer¬

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[51/0059] Seufzern die Hand auf die Bruſt, oder vielmehr auf die Stelle des Magens legte, als empfinde er toͤdtliche Schmerzen. Er konnte bald nicht mehr ſprechen, er war genoͤthigt ſich in den Sopha zu werfen, dann aber verloren ploͤtzlich ſeine Augen die Sehkraft und er erſtarrte zur bewußtloſen Bild¬ ſaͤule. Mit einem Ruck wie aus dem Traume auf¬ fahrend, erwachte er endlich, aber vor Mattigkeit konnte er mehrere Zeit hindurch ſich nicht regen und bewegen. Mein Arzt, den ich ihm ſandte, behandelte ihn, nachdem andere Mittel fruchtlos geblieben, magnetiſch, und dies ſchien zu wirken; wiewohl der Arzt bald davon ablaſſen mußte, da er ſelbſt beim Magnetiſiren des Kranken von einem unertraͤglichen Gefuͤhl des Uebelſeyns ergriffen wurde. Er hatte uͤbrigens des Obriſten Zutrauen gewonnen, und dieſer ſagte ihm, daß in jenen Momenten ſich ihm das Bild eines Frauenzimmers nahe, die er in Piſa gekannt; dann wuͤrde es ihm als wenn ihre gluͤhenden Blicke in ſein Inneres fuͤhren, und er fuͤhle die unertraͤglichſten Schmer¬ D 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/59>, abgerufen am 17.05.2024.