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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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vielmehr hatten die Augen etwas todtstarres, und
die Täuschung eines lebhaft gemahlten Bildes wäre
möglich gewesen, hätten sich nicht Arm und Hand
zuweilen bewegt. Ganz versunken in den Anblick
des verwunderlichen Wesens am Fenster, das mein
Innerstes so seltsam aufregte, hatte ich nicht die
quäkende Stimme des italienischen Tabuletkrämers
gehört, der mir vielleicht schon lange unaufhörlich
seine Waaren anbot. Er zupfte mich endlich am
Arm; schnell mich umdrehend, wies ich ihn ziem¬
lich hart und zornig ab. Er ließ aber nicht nach
mit Bitten und Quälen. Noch gar nichts habe
ich heute verdient, nur ein Paar Bleifedern, ein
Bündelchen Zahnstocher möge ich ihm abkaufen.
Voller Ungeduld, den Ueberlästigen nur geschwind
los zu werden, griff ich in die Tasche nach dem
Geldbeutel. Mit den Worten: "Auch hier hab'
ich noch schöne Sachen!" zog er den untern Schub
seines Kastens heraus, und hielt mir einen kleinen
runden Taschenspiegel, der in dem Schub unter
andern Gläsern lag, in kleiner Entfernung seitwärts

vielmehr hatten die Augen etwas todtſtarres, und
die Taͤuſchung eines lebhaft gemahlten Bildes waͤre
moͤglich geweſen, haͤtten ſich nicht Arm und Hand
zuweilen bewegt. Ganz verſunken in den Anblick
des verwunderlichen Weſens am Fenſter, das mein
Innerſtes ſo ſeltſam aufregte, hatte ich nicht die
quaͤkende Stimme des italieniſchen Tabuletkraͤmers
gehoͤrt, der mir vielleicht ſchon lange unaufhoͤrlich
ſeine Waaren anbot. Er zupfte mich endlich am
Arm; ſchnell mich umdrehend, wies ich ihn ziem¬
lich hart und zornig ab. Er ließ aber nicht nach
mit Bitten und Quaͤlen. Noch gar nichts habe
ich heute verdient, nur ein Paar Bleifedern, ein
Buͤndelchen Zahnſtocher moͤge ich ihm abkaufen.
Voller Ungeduld, den Ueberlaͤſtigen nur geſchwind
los zu werden, griff ich in die Taſche nach dem
Geldbeutel. Mit den Worten: „Auch hier hab'
ich noch ſchoͤne Sachen!“ zog er den untern Schub
ſeines Kaſtens heraus, und hielt mir einen kleinen
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[30/0038] vielmehr hatten die Augen etwas todtſtarres, und die Taͤuſchung eines lebhaft gemahlten Bildes waͤre moͤglich geweſen, haͤtten ſich nicht Arm und Hand zuweilen bewegt. Ganz verſunken in den Anblick des verwunderlichen Weſens am Fenſter, das mein Innerſtes ſo ſeltſam aufregte, hatte ich nicht die quaͤkende Stimme des italieniſchen Tabuletkraͤmers gehoͤrt, der mir vielleicht ſchon lange unaufhoͤrlich ſeine Waaren anbot. Er zupfte mich endlich am Arm; ſchnell mich umdrehend, wies ich ihn ziem¬ lich hart und zornig ab. Er ließ aber nicht nach mit Bitten und Quaͤlen. Noch gar nichts habe ich heute verdient, nur ein Paar Bleifedern, ein Buͤndelchen Zahnſtocher moͤge ich ihm abkaufen. Voller Ungeduld, den Ueberlaͤſtigen nur geſchwind los zu werden, griff ich in die Taſche nach dem Geldbeutel. Mit den Worten: „Auch hier hab' ich noch ſchoͤne Sachen!“ zog er den untern Schub ſeines Kaſtens heraus, und hielt mir einen kleinen runden Taſchenſpiegel, der in dem Schub unter andern Glaͤſern lag, in kleiner Entfernung ſeitwaͤrts

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/38>, abgerufen am 21.11.2024.