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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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sonstigen Untugenden, niemand tanzen mochte.
Jettchen war auf alle Tänze versagt, aber so wie
sie den Geliebten sah, vergaß sie alles, was sie ver¬
sprochen, und der beherzte Johann stieß das dünn¬
leibige Schneiderlein, das ihm Jettchen abtrotzen
wollte, zu Boden, daß es über und über purzelte.
Dies gab das Signal zum allgemeinen Aufstande.
Johann wehrte sich wie ein Löwe, Rippenstöße und
Ohrfeigen nach allen Seiten austheilend, doch
er mußte der Menge seiner Feinde erliegen und
wurde auf schmähliche Weise von Schneidergesellen
die Treppe herabgeworfen. Voll Wuth und Ver¬
zweiflung wollte er die Fenster einwerfen, er
schimpfte und fluchte, da kam Max, der nach
Hause ging, des Weges und befreite den unglückli¬
chen Johann aus den Händen der Schaarwacht,
die eben über ihn herzufallen im Begriff stand.
Nun klagte Johann sein Unglück und wollte durch¬
aus nicht abstehen von tumultuarischer Rache, doch
gelang es endlich dem klügern Max ihn zu beruhi¬
gen, wiewohl nur unter dem Versprechen, daß er
sich seiner annehmen und die ihm geschehene Unbill
so rächen wolle, daß er ganz gewiß zufrieden seyn
werde" -- Willibald hielt plötzlich ein. -- "Nun?
-- nun? Und weiter? -- Eine Schneiderhoch¬

ſonſtigen Untugenden, niemand tanzen mochte.
Jettchen war auf alle Taͤnze verſagt, aber ſo wie
ſie den Geliebten ſah, vergaß ſie alles, was ſie ver¬
ſprochen, und der beherzte Johann ſtieß das duͤnn¬
leibige Schneiderlein, das ihm Jettchen abtrotzen
wollte, zu Boden, daß es uͤber und uͤber purzelte.
Dies gab das Signal zum allgemeinen Aufſtande.
Johann wehrte ſich wie ein Loͤwe, Rippenſtoͤße und
Ohrfeigen nach allen Seiten austheilend, doch
er mußte der Menge ſeiner Feinde erliegen und
wurde auf ſchmaͤhliche Weiſe von Schneidergeſellen
die Treppe herabgeworfen. Voll Wuth und Ver¬
zweiflung wollte er die Fenſter einwerfen, er
ſchimpfte und fluchte, da kam Max, der nach
Hauſe ging, des Weges und befreite den ungluͤckli¬
chen Johann aus den Haͤnden der Schaarwacht,
die eben uͤber ihn herzufallen im Begriff ſtand.
Nun klagte Johann ſein Ungluͤck und wollte durch¬
aus nicht abſtehen von tumultuariſcher Rache, doch
gelang es endlich dem kluͤgern Max ihn zu beruhi¬
gen, wiewohl nur unter dem Verſprechen, daß er
ſich ſeiner annehmen und die ihm geſchehene Unbill
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— nun? Und weiter? — Eine Schneiderhoch¬

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[354/0362] ſonſtigen Untugenden, niemand tanzen mochte. Jettchen war auf alle Taͤnze verſagt, aber ſo wie ſie den Geliebten ſah, vergaß ſie alles, was ſie ver¬ ſprochen, und der beherzte Johann ſtieß das duͤnn¬ leibige Schneiderlein, das ihm Jettchen abtrotzen wollte, zu Boden, daß es uͤber und uͤber purzelte. Dies gab das Signal zum allgemeinen Aufſtande. Johann wehrte ſich wie ein Loͤwe, Rippenſtoͤße und Ohrfeigen nach allen Seiten austheilend, doch er mußte der Menge ſeiner Feinde erliegen und wurde auf ſchmaͤhliche Weiſe von Schneidergeſellen die Treppe herabgeworfen. Voll Wuth und Ver¬ zweiflung wollte er die Fenſter einwerfen, er ſchimpfte und fluchte, da kam Max, der nach Hauſe ging, des Weges und befreite den ungluͤckli¬ chen Johann aus den Haͤnden der Schaarwacht, die eben uͤber ihn herzufallen im Begriff ſtand. Nun klagte Johann ſein Ungluͤck und wollte durch¬ aus nicht abſtehen von tumultuariſcher Rache, doch gelang es endlich dem kluͤgern Max ihn zu beruhi¬ gen, wiewohl nur unter dem Verſprechen, daß er ſich ſeiner annehmen und die ihm geſchehene Unbill ſo raͤchen wolle, daß er ganz gewiß zufrieden ſeyn werde“ — Willibald hielt ploͤtzlich ein. — „Nun? — nun? Und weiter? — Eine Schneiderhoch¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/362>, abgerufen am 24.11.2024.