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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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daß, unerachtet sie für die Wahrheit aller Umstände
Rücksichts der wirklich vollzogenen Trauung mit
Stanislaus, die überzeugendsten Beweise habe, man
sie doch eine wahnsinnige Träumerin schelte. Die
Fürstin, von allem unterrichtet und von Hermene¬
gilda's zerrüttetem Gemüthszustande überzeugt, hü¬
tete sich wohl ihr zu widersprechen; sie begnügte sich
damit, ihr zu versichern, daß die Zeit alles aufklären
werde und daß es wohlgethan sey, sich in frommer
Demuth dem Willen des Himmels ganz zu ergeben.
Aufmerksamer wurde die Fürstin, als Hermenegilda
von ihrem körperlichen Zustande sprach und die son¬
derbaren Anfälle beschrieb, die ihr Inneres zu ver¬
stören schienen. Man sah, wie die Fürstin mit der
ängstlichsten Sorgfalt über Hermenegilda wachte
und wie ihre Bekümmerniß in dem Grade stieg,
als Hermenegilda sich ganz zu erholen schien. Die
todtblaßen Wangen und Lippen rötheten sich wieder,
die Augen verloren das düstre unheimliche Feuer,
der Blick wurde mild und ruhig, die abgemagerten
Formen rundeten sich mehr und mehr, kurz Herme¬

daß, unerachtet ſie fuͤr die Wahrheit aller Umſtaͤnde
Ruͤckſichts der wirklich vollzogenen Trauung mit
Stanislaus, die uͤberzeugendſten Beweiſe habe, man
ſie doch eine wahnſinnige Traͤumerin ſchelte. Die
Fuͤrſtin, von allem unterrichtet und von Hermene¬
gilda's zerruͤttetem Gemuͤthszuſtande uͤberzeugt, huͤ¬
tete ſich wohl ihr zu widerſprechen; ſie begnuͤgte ſich
damit, ihr zu verſichern, daß die Zeit alles aufklaͤren
werde und daß es wohlgethan ſey, ſich in frommer
Demuth dem Willen des Himmels ganz zu ergeben.
Aufmerkſamer wurde die Fuͤrſtin, als Hermenegilda
von ihrem koͤrperlichen Zuſtande ſprach und die ſon¬
derbaren Anfaͤlle beſchrieb, die ihr Inneres zu ver¬
ſtoͤren ſchienen. Man ſah, wie die Fuͤrſtin mit der
aͤngſtlichſten Sorgfalt uͤber Hermenegilda wachte
und wie ihre Bekuͤmmerniß in dem Grade ſtieg,
als Hermenegilda ſich ganz zu erholen ſchien. Die
todtblaßen Wangen und Lippen roͤtheten ſich wieder,
die Augen verloren das duͤſtre unheimliche Feuer,
der Blick wurde mild und ruhig, die abgemagerten
Formen rundeten ſich mehr und mehr, kurz Herme¬

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[301/0309] daß, unerachtet ſie fuͤr die Wahrheit aller Umſtaͤnde Ruͤckſichts der wirklich vollzogenen Trauung mit Stanislaus, die uͤberzeugendſten Beweiſe habe, man ſie doch eine wahnſinnige Traͤumerin ſchelte. Die Fuͤrſtin, von allem unterrichtet und von Hermene¬ gilda's zerruͤttetem Gemuͤthszuſtande uͤberzeugt, huͤ¬ tete ſich wohl ihr zu widerſprechen; ſie begnuͤgte ſich damit, ihr zu verſichern, daß die Zeit alles aufklaͤren werde und daß es wohlgethan ſey, ſich in frommer Demuth dem Willen des Himmels ganz zu ergeben. Aufmerkſamer wurde die Fuͤrſtin, als Hermenegilda von ihrem koͤrperlichen Zuſtande ſprach und die ſon¬ derbaren Anfaͤlle beſchrieb, die ihr Inneres zu ver¬ ſtoͤren ſchienen. Man ſah, wie die Fuͤrſtin mit der aͤngſtlichſten Sorgfalt uͤber Hermenegilda wachte und wie ihre Bekuͤmmerniß in dem Grade ſtieg, als Hermenegilda ſich ganz zu erholen ſchien. Die todtblaßen Wangen und Lippen roͤtheten ſich wieder, die Augen verloren das duͤſtre unheimliche Feuer, der Blick wurde mild und ruhig, die abgemagerten Formen rundeten ſich mehr und mehr, kurz Herme¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/309>, abgerufen am 25.11.2024.