Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht -- kehre zurück, sonst muß ich vergehen in
banger Sehnsucht, in trostloser Verzweiflung!" --

Hermenegilda's überreizter Zustand schien über¬
gehen zu wollen in wirklichen hellen Wahnsinn,
der sie zu tausend Thorheiten trieb. Graf Nepo¬
muk, voll Kummer und Angst um das geliebte
Kind, glaubte, daß ärztliche Hülfe hier vielleicht
wirksam seyn könnte, und es gelang ihm in der
That, einen Arzt zu finden, der es sich gefallen
ließ einige Zeit auf dem Gute zu bleiben und sich
der Leidenden anzunehmen. So richtig berechnet
seine mehr psychische als physische Curmethode aber
auch seyn mochte, so wenig sich ihre Wirkung auch
ganz ableugnen ließ, so blieb es doch zweifelhaft,
ob von wirklichem Genesen jemals die Rede würde
seyn können, da nach langer Stille sich ganz uner¬
wartet wieder die seltsamsten Paroxismen einstellten.
Ein eignes Abenteuer gab der Sache eine andere
Wendung. Hermenegilda hatte eben dem klei¬
nen Uhlanen, einem Püppchen, das sie sonst

nicht — kehre zuruͤck, ſonſt muß ich vergehen in
banger Sehnſucht, in troſtloſer Verzweiflung!“ —

Hermenegilda's uͤberreizter Zuſtand ſchien uͤber¬
gehen zu wollen in wirklichen hellen Wahnſinn,
der ſie zu tauſend Thorheiten trieb. Graf Nepo¬
muk, voll Kummer und Angſt um das geliebte
Kind, glaubte, daß aͤrztliche Huͤlfe hier vielleicht
wirkſam ſeyn koͤnnte, und es gelang ihm in der
That, einen Arzt zu finden, der es ſich gefallen
ließ einige Zeit auf dem Gute zu bleiben und ſich
der Leidenden anzunehmen. So richtig berechnet
ſeine mehr pſychiſche als phyſiſche Curmethode aber
auch ſeyn mochte, ſo wenig ſich ihre Wirkung auch
ganz ableugnen ließ, ſo blieb es doch zweifelhaft,
ob von wirklichem Geneſen jemals die Rede wuͤrde
ſeyn koͤnnen, da nach langer Stille ſich ganz uner¬
wartet wieder die ſeltſamſten Paroxismen einſtellten.
Ein eignes Abenteuer gab der Sache eine andere
Wendung. Hermenegilda hatte eben dem klei¬
nen Uhlanen, einem Puͤppchen, das ſie ſonſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0289" n="281"/>
nicht &#x2014; kehre zuru&#x0364;ck, &#x017F;on&#x017F;t muß ich vergehen in<lb/>
banger Sehn&#x017F;ucht, in tro&#x017F;tlo&#x017F;er Verzweiflung!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Hermenegilda's u&#x0364;berreizter Zu&#x017F;tand &#x017F;chien u&#x0364;ber¬<lb/>
gehen zu wollen in wirklichen hellen Wahn&#x017F;inn,<lb/>
der &#x017F;ie zu tau&#x017F;end Thorheiten trieb. Graf Nepo¬<lb/>
muk, voll Kummer und Ang&#x017F;t um das geliebte<lb/>
Kind, glaubte, daß a&#x0364;rztliche Hu&#x0364;lfe hier vielleicht<lb/>
wirk&#x017F;am &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, und es gelang ihm in der<lb/>
That, einen Arzt zu finden, der es &#x017F;ich gefallen<lb/>
ließ einige Zeit auf dem Gute zu bleiben und &#x017F;ich<lb/>
der Leidenden anzunehmen. So richtig berechnet<lb/>
&#x017F;eine mehr p&#x017F;ychi&#x017F;che als phy&#x017F;i&#x017F;che Curmethode aber<lb/>
auch &#x017F;eyn mochte, &#x017F;o wenig &#x017F;ich ihre Wirkung auch<lb/>
ganz ableugnen ließ, &#x017F;o blieb es doch zweifelhaft,<lb/>
ob von wirklichem Gene&#x017F;en jemals die Rede wu&#x0364;rde<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, da nach langer Stille &#x017F;ich ganz uner¬<lb/>
wartet wieder die &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Paroxismen ein&#x017F;tellten.<lb/>
Ein eignes Abenteuer gab der Sache eine andere<lb/>
Wendung. Hermenegilda hatte eben dem klei¬<lb/>
nen Uhlanen, einem Pu&#x0364;ppchen, das &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0289] nicht — kehre zuruͤck, ſonſt muß ich vergehen in banger Sehnſucht, in troſtloſer Verzweiflung!“ — Hermenegilda's uͤberreizter Zuſtand ſchien uͤber¬ gehen zu wollen in wirklichen hellen Wahnſinn, der ſie zu tauſend Thorheiten trieb. Graf Nepo¬ muk, voll Kummer und Angſt um das geliebte Kind, glaubte, daß aͤrztliche Huͤlfe hier vielleicht wirkſam ſeyn koͤnnte, und es gelang ihm in der That, einen Arzt zu finden, der es ſich gefallen ließ einige Zeit auf dem Gute zu bleiben und ſich der Leidenden anzunehmen. So richtig berechnet ſeine mehr pſychiſche als phyſiſche Curmethode aber auch ſeyn mochte, ſo wenig ſich ihre Wirkung auch ganz ableugnen ließ, ſo blieb es doch zweifelhaft, ob von wirklichem Geneſen jemals die Rede wuͤrde ſeyn koͤnnen, da nach langer Stille ſich ganz uner¬ wartet wieder die ſeltſamſten Paroxismen einſtellten. Ein eignes Abenteuer gab der Sache eine andere Wendung. Hermenegilda hatte eben dem klei¬ nen Uhlanen, einem Puͤppchen, das ſie ſonſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/289
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/289>, abgerufen am 24.11.2024.