erwiederte: Nur im Tode fallen diese Schleier, schwieg er davon und wünschte aufs Neue, daß der Wagen mit der Aebtissin erscheinen möge. Der Frühling war herangekommen, von einem Spatzier¬ gange kehrte die Familie des Bürgermeisters heim, Blumensträuße in den Händen tragend, deren schönste der frommen Cölestine bestimmt waren. Eben als sie ins Haus treten wollten, sprengte ein Reiter heran, eifrig nach dem Bürgermeister fragend. Der Alte sprach, er sei selbst der Bür¬ germeister und stehe vor seinem Hause. Da sprang der Reiter herab vom Pferde, das er festband an den Pfosten und stürzte mit dem gellenden Ruf: "Sie ist hier, sie ist hier," ins Haus und die Treppe herauf. Man hörte eine Thür ein¬ schlagen und Cölestinens Angstgeschrei. Der Alte, von Entsetzen erfaßt, eilte nach. Der Reiter -- wie nun sichtlich, war ein Offizier von der fran¬ zösischen Jägergarde mit vielen Orden geschmückt, hatte den Knaben aus der Wiege gerissen und in den linken, mit dem Mantel umschlungenen Arm
erwiederte: Nur im Tode fallen dieſe Schleier, ſchwieg er davon und wuͤnſchte aufs Neue, daß der Wagen mit der Aebtiſſin erſcheinen moͤge. Der Fruͤhling war herangekommen, von einem Spatzier¬ gange kehrte die Familie des Buͤrgermeiſters heim, Blumenſtraͤuße in den Haͤnden tragend, deren ſchoͤnſte der frommen Coͤleſtine beſtimmt waren. Eben als ſie ins Haus treten wollten, ſprengte ein Reiter heran, eifrig nach dem Buͤrgermeiſter fragend. Der Alte ſprach, er ſei ſelbſt der Buͤr¬ germeiſter und ſtehe vor ſeinem Hauſe. Da ſprang der Reiter herab vom Pferde, das er feſtband an den Pfoſten und ſtuͤrzte mit dem gellenden Ruf: „Sie iſt hier, ſie iſt hier,“ ins Haus und die Treppe herauf. Man hoͤrte eine Thuͤr ein¬ ſchlagen und Coͤleſtinens Angſtgeſchrei. Der Alte, von Entſetzen erfaßt, eilte nach. Der Reiter — wie nun ſichtlich, war ein Offizier von der fran¬ zoͤſiſchen Jaͤgergarde mit vielen Orden geſchmuͤckt, hatte den Knaben aus der Wiege geriſſen und in den linken, mit dem Mantel umſchlungenen Arm
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erwiederte: Nur im Tode fallen dieſe Schleier,
ſchwieg er davon und wuͤnſchte aufs Neue, daß der
Wagen mit der Aebtiſſin erſcheinen moͤge. Der
Fruͤhling war herangekommen, von einem Spatzier¬
gange kehrte die Familie des Buͤrgermeiſters heim,
Blumenſtraͤuße in den Haͤnden tragend, deren
ſchoͤnſte der frommen Coͤleſtine beſtimmt waren.
Eben als ſie ins Haus treten wollten, ſprengte
ein Reiter heran, eifrig nach dem Buͤrgermeiſter
fragend. Der Alte ſprach, er ſei ſelbſt der Buͤr¬
germeiſter und ſtehe vor ſeinem Hauſe. Da ſprang
der Reiter herab vom Pferde, das er feſtband
an den Pfoſten und ſtuͤrzte mit dem gellenden
Ruf: „Sie iſt hier, ſie iſt hier,“ ins Haus und
die Treppe herauf. Man hoͤrte eine Thuͤr ein¬
ſchlagen und Coͤleſtinens Angſtgeſchrei. Der Alte,
von Entſetzen erfaßt, eilte nach. Der Reiter —
wie nun ſichtlich, war ein Offizier von der fran¬
zoͤſiſchen Jaͤgergarde mit vielen Orden geſchmuͤckt,
hatte den Knaben aus der Wiege geriſſen und in
den linken, mit dem Mantel umſchlungenen Arm
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/277>, abgerufen am 24.11.2024.
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