res Geräth. Die Hausfrau, ausgesöhnt mit der Fremden durch den tiefen zehrenden Schmerz, der sich in ihrem ganzen Wesen offenbarte, glaubte nach gewöhnlicher Weise sie aufheitern, unterhal¬ ten zu müssen, die Fremde bat aber mit den rüh¬ rendsten Worten, eine Einsamkeit nicht zu verstö¬ ren, in der allein mit ganz der Jungfrau und den Heiligen zugewandtem Sinn sie Tröstung finde. Jedes Tages, so wie der Morgen graute, begab sich Cölestine zu den Carmelitern, um die Frühmesse zu hören; den übrigen Tag schien sie unausgesetzt Andachtsübungen gewidmet zu haben, denn so oft es auch nöthig wurde sie in ihrem Zimmer aufzusuchen, fand man sie entweder betend oder in frommen Büchern lesend. Sie verschmähte andere Speise als Gemüse, anderes Getränk als Wasser, und nur die dringendsten Vorstellungen des Alten, daß ihr Zustand, das Wesen, das in ihr lebe, bessere Kost fordere, konnten sie endlich vermögen zuweilen Fleischbrühe und etwas Wein zu genießen. Dieses strenge klösterliche Leben
res Geraͤth. Die Hausfrau, ausgeſoͤhnt mit der Fremden durch den tiefen zehrenden Schmerz, der ſich in ihrem ganzen Weſen offenbarte, glaubte nach gewoͤhnlicher Weiſe ſie aufheitern, unterhal¬ ten zu muͤſſen, die Fremde bat aber mit den ruͤh¬ rendſten Worten, eine Einſamkeit nicht zu verſtoͤ¬ ren, in der allein mit ganz der Jungfrau und den Heiligen zugewandtem Sinn ſie Troͤſtung finde. Jedes Tages, ſo wie der Morgen graute, begab ſich Coͤleſtine zu den Carmelitern, um die Fruͤhmeſſe zu hoͤren; den uͤbrigen Tag ſchien ſie unausgeſetzt Andachtsuͤbungen gewidmet zu haben, denn ſo oft es auch noͤthig wurde ſie in ihrem Zimmer aufzuſuchen, fand man ſie entweder betend oder in frommen Buͤchern leſend. Sie verſchmaͤhte andere Speiſe als Gemuͤſe, anderes Getraͤnk als Waſſer, und nur die dringendſten Vorſtellungen des Alten, daß ihr Zuſtand, das Weſen, das in ihr lebe, beſſere Koſt fordere, konnten ſie endlich vermoͤgen zuweilen Fleiſchbruͤhe und etwas Wein zu genießen. Dieſes ſtrenge kloͤſterliche Leben
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res Geraͤth. Die Hausfrau, ausgeſoͤhnt mit der
Fremden durch den tiefen zehrenden Schmerz, der
ſich in ihrem ganzen Weſen offenbarte, glaubte
nach gewoͤhnlicher Weiſe ſie aufheitern, unterhal¬
ten zu muͤſſen, die Fremde bat aber mit den ruͤh¬
rendſten Worten, eine Einſamkeit nicht zu verſtoͤ¬
ren, in der allein mit ganz der Jungfrau und
den Heiligen zugewandtem Sinn ſie Troͤſtung
finde. Jedes Tages, ſo wie der Morgen graute,
begab ſich Coͤleſtine zu den Carmelitern, um die
Fruͤhmeſſe zu hoͤren; den uͤbrigen Tag ſchien ſie
unausgeſetzt Andachtsuͤbungen gewidmet zu haben,
denn ſo oft es auch noͤthig wurde ſie in ihrem
Zimmer aufzuſuchen, fand man ſie entweder betend
oder in frommen Buͤchern leſend. Sie verſchmaͤhte
andere Speiſe als Gemuͤſe, anderes Getraͤnk als
Waſſer, und nur die dringendſten Vorſtellungen
des Alten, daß ihr Zuſtand, das Weſen, das in
ihr lebe, beſſere Koſt fordere, konnten ſie endlich
vermoͤgen zuweilen Fleiſchbruͤhe und etwas Wein
zu genießen. Dieſes ſtrenge kloͤſterliche Leben
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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