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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Denkt Euch einen kleinen dürren Mann mit einem
Mumienfarbnen Gesichte, spitzer Nase, zusammen¬
gekniffenen Lippen, grün funkelnden Katzenaugen,
stetem wahnsinnigem Lächeln, altmodig mit aufge¬
thürmtem Toupee und Klebelöckchen frisirtem stark
gepudertem Haar, großem Haarbeutel, Postillion
d'Amour, Kaffeebraunem altem verbleichtem, doch
wohlgeschontem, gebürstetem Kleide, grauen
Strümpfen, großen abgestumpften Schuhen mit
Steinschnällchen. Denkt Euch, daß diese kleine
dürre Figur doch, vorzüglich was die übergroßen
Fäuste mit langen starken Fingern betrift, robust
geformt ist, und kräftig nach dem Ladentisch hin¬
schreitet, dann aber stets lächelnd und starr hin¬
schauend nach den in Krystallgläsern aufbewahrten
Süßigkeiten mit ohnmächtiger klagender Stimme
herausweint: "Ein Paar eingemachte Pomeran¬
zen -- ein Paar Makronen -- ein Paar Zucker¬
kastanien etc." Denkt Euch das und urtheilt selbst,
ob hier Grund war, Seltsames zu ahnen oder nicht.
Der Conditor suchte alles, was der Alte gefordert,

B 2

Denkt Euch einen kleinen duͤrren Mann mit einem
Mumienfarbnen Geſichte, ſpitzer Naſe, zuſammen¬
gekniffenen Lippen, gruͤn funkelnden Katzenaugen,
ſtetem wahnſinnigem Laͤcheln, altmodig mit aufge¬
thuͤrmtem Toupee und Klebeloͤckchen friſirtem ſtark
gepudertem Haar, großem Haarbeutel, Poſtillion
d'Amour, Kaffeebraunem altem verbleichtem, doch
wohlgeſchontem, gebuͤrſtetem Kleide, grauen
Struͤmpfen, großen abgeſtumpften Schuhen mit
Steinſchnaͤllchen. Denkt Euch, daß dieſe kleine
duͤrre Figur doch, vorzuͤglich was die uͤbergroßen
Faͤuſte mit langen ſtarken Fingern betrift, robuſt
geformt iſt, und kraͤftig nach dem Ladentiſch hin¬
ſchreitet, dann aber ſtets laͤchelnd und ſtarr hin¬
ſchauend nach den in Kryſtallglaͤſern aufbewahrten
Suͤßigkeiten mit ohnmaͤchtiger klagender Stimme
herausweint: „Ein Paar eingemachte Pomeran¬
zen — ein Paar Makronen — ein Paar Zucker¬
kaſtanien ꝛc.“ Denkt Euch das und urtheilt ſelbſt,
ob hier Grund war, Seltſames zu ahnen oder nicht.
Der Conditor ſuchte alles, was der Alte gefordert,

B 2
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[19/0027] Denkt Euch einen kleinen duͤrren Mann mit einem Mumienfarbnen Geſichte, ſpitzer Naſe, zuſammen¬ gekniffenen Lippen, gruͤn funkelnden Katzenaugen, ſtetem wahnſinnigem Laͤcheln, altmodig mit aufge¬ thuͤrmtem Toupee und Klebeloͤckchen friſirtem ſtark gepudertem Haar, großem Haarbeutel, Poſtillion d'Amour, Kaffeebraunem altem verbleichtem, doch wohlgeſchontem, gebuͤrſtetem Kleide, grauen Struͤmpfen, großen abgeſtumpften Schuhen mit Steinſchnaͤllchen. Denkt Euch, daß dieſe kleine duͤrre Figur doch, vorzuͤglich was die uͤbergroßen Faͤuſte mit langen ſtarken Fingern betrift, robuſt geformt iſt, und kraͤftig nach dem Ladentiſch hin¬ ſchreitet, dann aber ſtets laͤchelnd und ſtarr hin¬ ſchauend nach den in Kryſtallglaͤſern aufbewahrten Suͤßigkeiten mit ohnmaͤchtiger klagender Stimme herausweint: „Ein Paar eingemachte Pomeran¬ zen — ein Paar Makronen — ein Paar Zucker¬ kaſtanien ꝛc.“ Denkt Euch das und urtheilt ſelbſt, ob hier Grund war, Seltſames zu ahnen oder nicht. Der Conditor ſuchte alles, was der Alte gefordert, B 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/27>, abgerufen am 03.05.2024.