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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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dieses Packet zu entsiegeln, als die Thür auf¬
ging und mit leisen gespenstischen Schritten Daniel
hereintrat. Er legte eine schwarze Mappe, die er
unter dem Arm trug, auf den Schreibtisch, dann
mit einem tiefen Todesseufzer auf beide Knie sin¬
kend, V..s Hände mit den seinen krampfhaft
fassend, sprach er hohl und dumpf, wie aus tie¬
fem Grabe: Auf dem Schaffott stürb' ich nicht
gern! -- der dort oben richtet! -- dann richtete
er sich unter angstvollem Keuchen mühsam auf und
verließ das Zimmer, wie er gekommen.

V. brachte die ganze Nacht hin, alles das zu
lesen, was die schwarze Mappe und Huberts Paket
enthielt. Beides hing genau zusammen, und be¬
stimmte von selbst die weitern Maßregeln, die nun
zu ergreifen. So wie V. in K. angekommen,
begab er sich zum Freiherrn Hubert von R., der
ihn mit rauhem Stolz empfing. Die merkwürdige
Folge einer Unterredung, welche Mittags anfing
und bis spät in die Nacht hinein ununterbrochen
fortdauerte, war aber, daß der Freiherr andern

dieſes Packet zu entſiegeln, als die Thuͤr auf¬
ging und mit leiſen geſpenſtiſchen Schritten Daniel
hereintrat. Er legte eine ſchwarze Mappe, die er
unter dem Arm trug, auf den Schreibtiſch, dann
mit einem tiefen Todesſeufzer auf beide Knie ſin¬
kend, V..s Haͤnde mit den ſeinen krampfhaft
faſſend, ſprach er hohl und dumpf, wie aus tie¬
fem Grabe: Auf dem Schaffott ſtuͤrb' ich nicht
gern! — der dort oben richtet! — dann richtete
er ſich unter angſtvollem Keuchen muͤhſam auf und
verließ das Zimmer, wie er gekommen.

V. brachte die ganze Nacht hin, alles das zu
leſen, was die ſchwarze Mappe und Huberts Paket
enthielt. Beides hing genau zuſammen, und be¬
ſtimmte von ſelbſt die weitern Maßregeln, die nun
zu ergreifen. So wie V. in K. angekommen,
begab er ſich zum Freiherrn Hubert von R., der
ihn mit rauhem Stolz empfing. Die merkwuͤrdige
Folge einer Unterredung, welche Mittags anfing
und bis ſpaͤt in die Nacht hinein ununterbrochen
fortdauerte, war aber, daß der Freiherr andern

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[232/0240] dieſes Packet zu entſiegeln, als die Thuͤr auf¬ ging und mit leiſen geſpenſtiſchen Schritten Daniel hereintrat. Er legte eine ſchwarze Mappe, die er unter dem Arm trug, auf den Schreibtiſch, dann mit einem tiefen Todesſeufzer auf beide Knie ſin¬ kend, V..s Haͤnde mit den ſeinen krampfhaft faſſend, ſprach er hohl und dumpf, wie aus tie¬ fem Grabe: Auf dem Schaffott ſtuͤrb' ich nicht gern! — der dort oben richtet! — dann richtete er ſich unter angſtvollem Keuchen muͤhſam auf und verließ das Zimmer, wie er gekommen. V. brachte die ganze Nacht hin, alles das zu leſen, was die ſchwarze Mappe und Huberts Paket enthielt. Beides hing genau zuſammen, und be¬ ſtimmte von ſelbſt die weitern Maßregeln, die nun zu ergreifen. So wie V. in K. angekommen, begab er ſich zum Freiherrn Hubert von R., der ihn mit rauhem Stolz empfing. Die merkwuͤrdige Folge einer Unterredung, welche Mittags anfing und bis ſpaͤt in die Nacht hinein ununterbrochen fortdauerte, war aber, daß der Freiherr andern

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/240>, abgerufen am 23.11.2024.