feln, mit dem Armleuchter in der Hand, entfernt haben, denn eben diese Stücke wurden vermißt. V. lief, von düsterer Ahnung getrieben, in den verhäng¬ nißvollen Saal, dessen Seitenkabinet gleich dem Vater Wolfgang zu seinem Schlafgemach gewählt hatte. Die Pforte zum Thurm stand weit offen, tief entsetzt schrie V. laut auf: "Dort in der Tiefe liegt er zerschmettert!" -- Es war dem so. Schnee war gefallen, so daß man von oben herab nur den zwischen den Steinen hervorragenden starren Arm des Unglücklichen deutlich wahrnehmen konnte. Viele Stunden gingen hin, ehe es den Arbeitern gelang, mit Lebensgefahr, auf zusammengebundenen Leitern, herab zu steigen, und dann den Leichnam an Stricken heraufzuziehen. Im Krampf der Todesangst hatte der Baron den silbernen Armleuchter fest gepackt, die Hand, die ihn noch fest hielt, war der einzige un¬ versehrte Theil des ganzen Körpers, der sonst durch das Anprallen an die spitzen Steine auf das grä߬ lichste zerschellt worden.
feln, mit dem Armleuchter in der Hand, entfernt haben, denn eben dieſe Stuͤcke wurden vermißt. V. lief, von duͤſterer Ahnung getrieben, in den verhaͤng¬ nißvollen Saal, deſſen Seitenkabinet gleich dem Vater Wolfgang zu ſeinem Schlafgemach gewaͤhlt hatte. Die Pforte zum Thurm ſtand weit offen, tief entſetzt ſchrie V. laut auf: „Dort in der Tiefe liegt er zerſchmettert!“ — Es war dem ſo. Schnee war gefallen, ſo daß man von oben herab nur den zwiſchen den Steinen hervorragenden ſtarren Arm des Ungluͤcklichen deutlich wahrnehmen konnte. Viele Stunden gingen hin, ehe es den Arbeitern gelang, mit Lebensgefahr, auf zuſammengebundenen Leitern, herab zu ſteigen, und dann den Leichnam an Stricken heraufzuziehen. Im Krampf der Todesangſt hatte der Baron den ſilbernen Armleuchter feſt gepackt, die Hand, die ihn noch feſt hielt, war der einzige un¬ verſehrte Theil des ganzen Koͤrpers, der ſonſt durch das Anprallen an die ſpitzen Steine auf das graͤ߬ lichſte zerſchellt worden.
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feln, mit dem Armleuchter in der Hand, entfernt
haben, denn eben dieſe Stuͤcke wurden vermißt. V.
lief, von duͤſterer Ahnung getrieben, in den verhaͤng¬
nißvollen Saal, deſſen Seitenkabinet gleich dem
Vater Wolfgang zu ſeinem Schlafgemach gewaͤhlt
hatte. Die Pforte zum Thurm ſtand weit offen,
tief entſetzt ſchrie V. laut auf: „Dort in der Tiefe
liegt er zerſchmettert!“ — Es war dem ſo. Schnee
war gefallen, ſo daß man von oben herab nur den
zwiſchen den Steinen hervorragenden ſtarren Arm
des Ungluͤcklichen deutlich wahrnehmen konnte. Viele
Stunden gingen hin, ehe es den Arbeitern gelang,
mit Lebensgefahr, auf zuſammengebundenen Leitern,
herab zu ſteigen, und dann den Leichnam an Stricken
heraufzuziehen. Im Krampf der Todesangſt hatte
der Baron den ſilbernen Armleuchter feſt gepackt, die
Hand, die ihn noch feſt hielt, war der einzige un¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/214>, abgerufen am 27.11.2024.
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