ber Vetter, was wollte denn eigentlich der Baron von dir?" -- Ich erzählte alles, und schloß da¬ mit, daß ich mich nicht hergeben wollte zu der zweifelhaften Cur, die der Baron vorgeschlagen. "Würde auch gar nicht angehen," fiel der Alte mir in die Rede, "denn wir reisen morgen in al¬ ler Frühe fort, lieber Vetter!" -- Es geschah so, ich sah Seraphinen nicht wieder! --
Kaum angekommen in K. klagte der alte Großonkel, daß er mehr als jemals sich von der beschwerlichen Fahrt angegriffen fühle. Sein mür¬ risches Schweigen, nur unterbrochen von heftigen Ausbrüchen der übelsten Laune, verkündete die Rückkehr seiner podagristischen Zufälle. Eines Ta¬ ges wurd' ich schnell hingerufen, ich fand den Al¬ ten, vom Schlage getroffen, sprachlos auf dem Lager einen zerknitterten Brief in der krampfhaft geschlossenen Hand. Ich erkannte die Schriftzüge des Wirthschafts-Inspektors aus R -- sitten, doch, von dem tiefsten Schmerz durchdrungen, wagte ich es nicht, den Brief dem Alten zu entreißen, ich
ber Vetter, was wollte denn eigentlich der Baron von dir?“ — Ich erzaͤhlte alles, und ſchloß da¬ mit, daß ich mich nicht hergeben wollte zu der zweifelhaften Cur, die der Baron vorgeſchlagen. „Wuͤrde auch gar nicht angehen,“ fiel der Alte mir in die Rede, „denn wir reiſen morgen in al¬ ler Fruͤhe fort, lieber Vetter!“ — Es geſchah ſo, ich ſah Seraphinen nicht wieder! —
Kaum angekommen in K. klagte der alte Großonkel, daß er mehr als jemals ſich von der beſchwerlichen Fahrt angegriffen fuͤhle. Sein muͤr¬ riſches Schweigen, nur unterbrochen von heftigen Ausbruͤchen der uͤbelſten Laune, verkuͤndete die Ruͤckkehr ſeiner podagriſtiſchen Zufaͤlle. Eines Ta¬ ges wurd' ich ſchnell hingerufen, ich fand den Al¬ ten, vom Schlage getroffen, ſprachlos auf dem Lager einen zerknitterten Brief in der krampfhaft geſchloſſenen Hand. Ich erkannte die Schriftzuͤge des Wirthſchafts-Inſpektors aus R — ſitten, doch, von dem tiefſten Schmerz durchdrungen, wagte ich es nicht, den Brief dem Alten zu entreißen, ich
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ber Vetter, was wollte denn eigentlich der Baron
von dir?“ — Ich erzaͤhlte alles, und ſchloß da¬
mit, daß ich mich nicht hergeben wollte zu der
zweifelhaften Cur, die der Baron vorgeſchlagen.
„Wuͤrde auch gar nicht angehen,“ fiel der Alte
mir in die Rede, „denn wir reiſen morgen in al¬
ler Fruͤhe fort, lieber Vetter!“ — Es geſchah
ſo, ich ſah Seraphinen nicht wieder! —
Kaum angekommen in K. klagte der alte
Großonkel, daß er mehr als jemals ſich von der
beſchwerlichen Fahrt angegriffen fuͤhle. Sein muͤr¬
riſches Schweigen, nur unterbrochen von heftigen
Ausbruͤchen der uͤbelſten Laune, verkuͤndete die
Ruͤckkehr ſeiner podagriſtiſchen Zufaͤlle. Eines Ta¬
ges wurd' ich ſchnell hingerufen, ich fand den Al¬
ten, vom Schlage getroffen, ſprachlos auf dem
Lager einen zerknitterten Brief in der krampfhaft
geſchloſſenen Hand. Ich erkannte die Schriftzuͤge
des Wirthſchafts-Inſpektors aus R — ſitten, doch,
von dem tiefſten Schmerz durchdrungen, wagte ich
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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