Stadt hinterlassen. Dort wollten sie hinziehen, die Mutter, Nathanael mit seiner Clara, die er nun zu heirathen gedachte, und Lothar. Na¬ thanael war milder, kindlicher geworden, als er je gewesen und erkannte nun erst recht Clara's himmlisch reines, herrliches Gemüth. Niemand er¬ innerte ihn auch nur durch den leisesten Anklang an die Vergangenheit. Nur, als Siegmund von ihm schied, sprach Nathanael: "bei Gott Bru¬ der! ich war auf schlimmen Wege, aber zu rech¬ ter Zeit leitete mich ein Engel auf den lichten Pfad! -- Ach es war ja Clara! --" Sieg¬ mund ließ ihn nicht weiter reden, aus Besorg¬ niß, tief verletzende Erinnerungen möchten ihm zu hell und flammend aufgehen. -- Es war an der Zeit, daß die vier glücklichen Menschen nach dem Gütchen ziehen wollten. Zur Mittagsstunde gin¬ gen sie durch die Straßen der Stadt. Sie hatten manches eingekauft, der hohe Rathsthurm warf seinen Riesenschatten über den Markt. "Ei! sagte Clara: steigen wir doch noch einmal her¬
Stadt hinterlaſſen. Dort wollten ſie hinziehen, die Mutter, Nathanael mit ſeiner Clara, die er nun zu heirathen gedachte, und Lothar. Na¬ thanael war milder, kindlicher geworden, als er je geweſen und erkannte nun erſt recht Clara's himmliſch reines, herrliches Gemuͤth. Niemand er¬ innerte ihn auch nur durch den leiſeſten Anklang an die Vergangenheit. Nur, als Siegmund von ihm ſchied, ſprach Nathanael: „bei Gott Bru¬ der! ich war auf ſchlimmen Wege, aber zu rech¬ ter Zeit leitete mich ein Engel auf den lichten Pfad! — Ach es war ja Clara! —“ Sieg¬ mund ließ ihn nicht weiter reden, aus Beſorg¬ niß, tief verletzende Erinnerungen moͤchten ihm zu hell und flammend aufgehen. — Es war an der Zeit, daß die vier gluͤcklichen Menſchen nach dem Guͤtchen ziehen wollten. Zur Mittagsſtunde gin¬ gen ſie durch die Straßen der Stadt. Sie hatten manches eingekauft, der hohe Rathsthurm warf ſeinen Rieſenſchatten uͤber den Markt. „Ei! ſagte Clara: ſteigen wir doch noch einmal her¬
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Stadt hinterlaſſen. Dort wollten ſie hinziehen,
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er nun zu heirathen gedachte, und Lothar. Na¬
thanael war milder, kindlicher geworden, als er
je geweſen und erkannte nun erſt recht Clara's
himmliſch reines, herrliches Gemuͤth. Niemand er¬
innerte ihn auch nur durch den leiſeſten Anklang an
die Vergangenheit. Nur, als Siegmund von
ihm ſchied, ſprach Nathanael: „bei Gott Bru¬
der! ich war auf ſchlimmen Wege, aber zu rech¬
ter Zeit leitete mich ein Engel auf den lichten
Pfad! — Ach es war ja Clara! —“ Sieg¬
mund ließ ihn nicht weiter reden, aus Beſorg¬
niß, tief verletzende Erinnerungen moͤchten ihm zu
hell und flammend aufgehen. — Es war an der
Zeit, daß die vier gluͤcklichen Menſchen nach dem
Guͤtchen ziehen wollten. Zur Mittagsſtunde gin¬
gen ſie durch die Straßen der Stadt. Sie hatten
manches eingekauft, der hohe Rathsthurm warf
ſeinen Rieſenſchatten uͤber den Markt. „Ei!
ſagte Clara: ſteigen wir doch noch einmal her¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/86>, abgerufen am 24.11.2024.
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