Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

mahl das Amt singen müsse. Verwundert schaute
Isabella um sich und bemerkte, daß ihr Ge¬
folge von demselben Erstaunen ergriffen worden;
doch ahnen mußte sie wohl, daß hier ein beson¬
deres Abentheuer im Spiel seyn müsse, als ihr
der tapfere Heerführer Aguillar, der sich eben
im Gefolge befand, ihr in's Auge fiel. Im
Betstuhl kniend, die Hände gefaltet, starrte er
zum Gitter des Chors herauf, glühende inbrün¬
stige Sehnsucht im düstern Auge. Als die Messe
geendet war, begab sich Isabella nach Donna
Maria's
, der Priorin, Zimmern und frug nach
der fremden Sängerin. "Wollet Euch o Köni¬
gin," sprach Donna Maria, "wollet Euch
erinnern, daß vor Mondesfrist Don Aguil¬
lar jenes Außenwerk zu überfallen und zu er¬
obern gedachte, das mit einer herrlichen Terrasse
geziert den Mauren zum Lustort dient. In jeder
Nacht schallen die üppigen Gesänge der Heiden
in unser Lager herüber wie verlockende Syrenen¬
stimmen und eben deshalb wollte der tapfere

mahl das Amt ſingen muͤſſe. Verwundert ſchaute
Iſabella um ſich und bemerkte, daß ihr Ge¬
folge von demſelben Erſtaunen ergriffen worden;
doch ahnen mußte ſie wohl, daß hier ein beſon¬
deres Abentheuer im Spiel ſeyn muͤſſe, als ihr
der tapfere Heerfuͤhrer Aguillar, der ſich eben
im Gefolge befand, ihr in's Auge fiel. Im
Betſtuhl kniend, die Haͤnde gefaltet, ſtarrte er
zum Gitter des Chors herauf, gluͤhende inbruͤn¬
ſtige Sehnſucht im duͤſtern Auge. Als die Meſſe
geendet war, begab ſich Iſabella nach Donna
Maria's
, der Priorin, Zimmern und frug nach
der fremden Saͤngerin. „Wollet Euch o Koͤni¬
gin,“ ſprach Donna Maria, „wollet Euch
erinnern, daß vor Mondesfriſt Don Aguil¬
lar jenes Außenwerk zu uͤberfallen und zu er¬
obern gedachte, das mit einer herrlichen Terraſſe
geziert den Mauren zum Luſtort dient. In jeder
Nacht ſchallen die uͤppigen Geſaͤnge der Heiden
in unſer Lager heruͤber wie verlockende Syrenen¬
ſtimmen und eben deshalb wollte der tapfere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0307" n="299"/>
mahl das Amt &#x017F;ingen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Verwundert &#x017F;chaute<lb/><hi rendition="#g">I&#x017F;abella</hi> um &#x017F;ich und bemerkte, daß ihr Ge¬<lb/>
folge von dem&#x017F;elben Er&#x017F;taunen ergriffen worden;<lb/>
doch ahnen mußte &#x017F;ie wohl, daß hier ein be&#x017F;on¬<lb/>
deres Abentheuer im Spiel &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, als ihr<lb/>
der tapfere Heerfu&#x0364;hrer <hi rendition="#g">Aguillar</hi>, der &#x017F;ich eben<lb/>
im Gefolge befand, ihr in's Auge fiel. Im<lb/>
Bet&#x017F;tuhl kniend, die Ha&#x0364;nde gefaltet, &#x017F;tarrte er<lb/>
zum Gitter des Chors herauf, glu&#x0364;hende inbru&#x0364;<lb/>
&#x017F;tige Sehn&#x017F;ucht im du&#x0364;&#x017F;tern Auge. Als die Me&#x017F;&#x017F;e<lb/>
geendet war, begab &#x017F;ich <hi rendition="#g">I&#x017F;abella</hi> nach <hi rendition="#g">Donna<lb/>
Maria's</hi>, der Priorin, Zimmern und frug nach<lb/>
der fremden Sa&#x0364;ngerin. &#x201E;Wollet Euch o Ko&#x0364;ni¬<lb/>
gin,&#x201C; &#x017F;prach <hi rendition="#g">Donna Maria</hi>, &#x201E;wollet Euch<lb/>
erinnern, daß vor Mondesfri&#x017F;t <hi rendition="#g">Don Aguil</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">lar</hi> jenes Außenwerk zu u&#x0364;berfallen und zu er¬<lb/>
obern gedachte, das mit einer herrlichen Terra&#x017F;&#x017F;e<lb/>
geziert den Mauren zum Lu&#x017F;tort dient. In jeder<lb/>
Nacht &#x017F;challen die u&#x0364;ppigen Ge&#x017F;a&#x0364;nge der Heiden<lb/>
in un&#x017F;er Lager heru&#x0364;ber wie verlockende Syrenen¬<lb/>
&#x017F;timmen und eben deshalb wollte der tapfere<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0307] mahl das Amt ſingen muͤſſe. Verwundert ſchaute Iſabella um ſich und bemerkte, daß ihr Ge¬ folge von demſelben Erſtaunen ergriffen worden; doch ahnen mußte ſie wohl, daß hier ein beſon¬ deres Abentheuer im Spiel ſeyn muͤſſe, als ihr der tapfere Heerfuͤhrer Aguillar, der ſich eben im Gefolge befand, ihr in's Auge fiel. Im Betſtuhl kniend, die Haͤnde gefaltet, ſtarrte er zum Gitter des Chors herauf, gluͤhende inbruͤn¬ ſtige Sehnſucht im duͤſtern Auge. Als die Meſſe geendet war, begab ſich Iſabella nach Donna Maria's, der Priorin, Zimmern und frug nach der fremden Saͤngerin. „Wollet Euch o Koͤni¬ gin,“ ſprach Donna Maria, „wollet Euch erinnern, daß vor Mondesfriſt Don Aguil¬ lar jenes Außenwerk zu uͤberfallen und zu er¬ obern gedachte, das mit einer herrlichen Terraſſe geziert den Mauren zum Luſtort dient. In jeder Nacht ſchallen die uͤppigen Geſaͤnge der Heiden in unſer Lager heruͤber wie verlockende Syrenen¬ ſtimmen und eben deshalb wollte der tapfere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/307
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/307>, abgerufen am 02.05.2024.