Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Tritt und beinahe schäme ich mich, es zu geste¬
hen, daß er selbst meinen gesunden, sonst so ruhi¬
gen Schlaf in allerlei wunderlichen Traumgebilden
zerstören konnte. Doch bald, schon den andern
Tag, hatte sich Alles anders in mir gestaltet.
Sei mir nur nicht böse, mein Inniggeliebter,
wenn Lothar Dir etwa sagen möchte, daß ich
trotz Deiner seltsamen Ahnung, Coppelius
werde Dir etwas Böses anthun, ganz heitern un¬
befangenen Sinnes bin, wie immer.

Gerade heraus will ich es Dir nur gestehen,
daß, wie ich meine, alles Entsetzliche und Schreck¬
liche, wovon Du sprichst, nur in Deinem Innern
vorging, die wahre wirkliche Außenwelt aber daran
wohl wenig Theil hatte. Widerwärtig genug mag
der alte Coppelius gewesen seyn, aber daß er
Kinder haßte, das brachte in Euch Kindern wah¬
ren Abscheu gegen ihn hervor.

Natürlich verknüpfte sich nun in Deinem kin¬
dischen Gemüth der schreckliche Sandmann aus
dem Ammenmährchen mit dem alten Coppelius,
der Dir, glaubtest Du auch nicht an den Sand¬

Tritt und beinahe ſchaͤme ich mich, es zu geſte¬
hen, daß er ſelbſt meinen geſunden, ſonſt ſo ruhi¬
gen Schlaf in allerlei wunderlichen Traumgebilden
zerſtoͤren konnte. Doch bald, ſchon den andern
Tag, hatte ſich Alles anders in mir geſtaltet.
Sei mir nur nicht boͤſe, mein Inniggeliebter,
wenn Lothar Dir etwa ſagen moͤchte, daß ich
trotz Deiner ſeltſamen Ahnung, Coppelius
werde Dir etwas Boͤſes anthun, ganz heitern un¬
befangenen Sinnes bin, wie immer.

Gerade heraus will ich es Dir nur geſtehen,
daß, wie ich meine, alles Entſetzliche und Schreck¬
liche, wovon Du ſprichſt, nur in Deinem Innern
vorging, die wahre wirkliche Außenwelt aber daran
wohl wenig Theil hatte. Widerwaͤrtig genug mag
der alte Coppelius geweſen ſeyn, aber daß er
Kinder haßte, das brachte in Euch Kindern wah¬
ren Abſcheu gegen ihn hervor.

Natuͤrlich verknuͤpfte ſich nun in Deinem kin¬
diſchen Gemuͤth der ſchreckliche Sandmann aus
dem Ammenmaͤhrchen mit dem alten Coppelius,
der Dir, glaubteſt Du auch nicht an den Sand¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="22"/>
Tritt und beinahe &#x017F;cha&#x0364;me ich mich, es zu ge&#x017F;te¬<lb/>
hen, daß er &#x017F;elb&#x017F;t meinen ge&#x017F;unden, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o ruhi¬<lb/>
gen Schlaf in allerlei wunderlichen Traumgebilden<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;ren konnte. Doch bald, &#x017F;chon den andern<lb/>
Tag, hatte &#x017F;ich Alles anders in mir ge&#x017F;taltet.<lb/>
Sei mir nur nicht bo&#x0364;&#x017F;e, mein Inniggeliebter,<lb/>
wenn <hi rendition="#g">Lothar</hi> Dir etwa &#x017F;agen mo&#x0364;chte, daß ich<lb/>
trotz Deiner &#x017F;elt&#x017F;amen Ahnung, <hi rendition="#g">Coppelius</hi><lb/>
werde Dir etwas Bo&#x0364;&#x017F;es anthun, ganz heitern un¬<lb/>
befangenen Sinnes bin, wie immer.</p><lb/>
          <p>Gerade heraus will ich es Dir nur ge&#x017F;tehen,<lb/>
daß, wie ich meine, alles Ent&#x017F;etzliche und Schreck¬<lb/>
liche, wovon Du &#x017F;prich&#x017F;t, nur in Deinem Innern<lb/>
vorging, die wahre wirkliche Außenwelt aber daran<lb/>
wohl wenig Theil hatte. Widerwa&#x0364;rtig genug mag<lb/>
der alte <hi rendition="#g">Coppelius</hi> gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, aber daß er<lb/>
Kinder haßte, das brachte in Euch Kindern wah¬<lb/>
ren Ab&#x017F;cheu gegen ihn hervor.</p><lb/>
          <p>Natu&#x0364;rlich verknu&#x0364;pfte &#x017F;ich nun in Deinem kin¬<lb/>
di&#x017F;chen Gemu&#x0364;th der &#x017F;chreckliche Sandmann aus<lb/>
dem Ammenma&#x0364;hrchen mit dem alten <hi rendition="#g">Coppelius</hi>,<lb/>
der Dir, glaubte&#x017F;t Du auch nicht an den Sand¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0030] Tritt und beinahe ſchaͤme ich mich, es zu geſte¬ hen, daß er ſelbſt meinen geſunden, ſonſt ſo ruhi¬ gen Schlaf in allerlei wunderlichen Traumgebilden zerſtoͤren konnte. Doch bald, ſchon den andern Tag, hatte ſich Alles anders in mir geſtaltet. Sei mir nur nicht boͤſe, mein Inniggeliebter, wenn Lothar Dir etwa ſagen moͤchte, daß ich trotz Deiner ſeltſamen Ahnung, Coppelius werde Dir etwas Boͤſes anthun, ganz heitern un¬ befangenen Sinnes bin, wie immer. Gerade heraus will ich es Dir nur geſtehen, daß, wie ich meine, alles Entſetzliche und Schreck¬ liche, wovon Du ſprichſt, nur in Deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Außenwelt aber daran wohl wenig Theil hatte. Widerwaͤrtig genug mag der alte Coppelius geweſen ſeyn, aber daß er Kinder haßte, das brachte in Euch Kindern wah¬ ren Abſcheu gegen ihn hervor. Natuͤrlich verknuͤpfte ſich nun in Deinem kin¬ diſchen Gemuͤth der ſchreckliche Sandmann aus dem Ammenmaͤhrchen mit dem alten Coppelius, der Dir, glaubteſt Du auch nicht an den Sand¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/30
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/30>, abgerufen am 28.03.2024.