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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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phe, dann sprach ich plötzlich: Also in heillosem
Wahnsinn mordeten Sie Weib und Kind? --
Da ließ er Farbentopf und Pinsel fallen, und
rief, mich mit gräßlichem Blick anstarrend und
beide Hände hoch erhebend: "Rein sind diese Hände
vom Blute meines Weibes, meines Sohnes!
Noch ein solches Wort, und ich stürze mich
mit Euch hier vom Gerüste herab, daß unsere
Schädel zerschellen auf dem steinernen Boden
der Kirche!" -- Ich befand mich in dem Au¬
genblick wirklich in seltsamer Lage, am besten
schien es mir mit ganz Fremden hineinzu¬
fahren. "O sehn Sie doch, lieber Berthold"
sprach ich so ruhig und kalt, als es mir möglich
war, wie das häßliche Dunkelgelb auf der Wand
dort so verfließt. Er schauete hin, und indem er
das Gelb mit dem Pinsel verstrich, stieg ich leise
das Gerüste herab, verließ die Kirche, und ging
zum Professor, um mich über meinen bestraf¬
ten Vorwitz tüchtig auslachen zu lassen.

Mein Wagen war reparirt und ich verließ G.,

phe, dann ſprach ich ploͤtzlich: Alſo in heilloſem
Wahnſinn mordeten Sie Weib und Kind? —
Da ließ er Farbentopf und Pinſel fallen, und
rief, mich mit graͤßlichem Blick anſtarrend und
beide Haͤnde hoch erhebend: „Rein ſind dieſe Haͤnde
vom Blute meines Weibes, meines Sohnes!
Noch ein ſolches Wort, und ich ſtuͤrze mich
mit Euch hier vom Geruͤſte herab, daß unſere
Schaͤdel zerſchellen auf dem ſteinernen Boden
der Kirche!“ — Ich befand mich in dem Au¬
genblick wirklich in ſeltſamer Lage, am beſten
ſchien es mir mit ganz Fremden hineinzu¬
fahren. „O ſehn Sie doch, lieber Berthold
ſprach ich ſo ruhig und kalt, als es mir moͤglich
war, wie das haͤßliche Dunkelgelb auf der Wand
dort ſo verfließt. Er ſchauete hin, und indem er
das Gelb mit dem Pinſel verſtrich, ſtieg ich leiſe
das Geruͤſte herab, verließ die Kirche, und ging
zum Profeſſor, um mich uͤber meinen beſtraf¬
ten Vorwitz tuͤchtig auslachen zu laſſen.

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[277/0285] phe, dann ſprach ich ploͤtzlich: Alſo in heilloſem Wahnſinn mordeten Sie Weib und Kind? — Da ließ er Farbentopf und Pinſel fallen, und rief, mich mit graͤßlichem Blick anſtarrend und beide Haͤnde hoch erhebend: „Rein ſind dieſe Haͤnde vom Blute meines Weibes, meines Sohnes! Noch ein ſolches Wort, und ich ſtuͤrze mich mit Euch hier vom Geruͤſte herab, daß unſere Schaͤdel zerſchellen auf dem ſteinernen Boden der Kirche!“ — Ich befand mich in dem Au¬ genblick wirklich in ſeltſamer Lage, am beſten ſchien es mir mit ganz Fremden hineinzu¬ fahren. „O ſehn Sie doch, lieber Berthold“ ſprach ich ſo ruhig und kalt, als es mir moͤglich war, wie das haͤßliche Dunkelgelb auf der Wand dort ſo verfließt. Er ſchauete hin, und indem er das Gelb mit dem Pinſel verſtrich, ſtieg ich leiſe das Geruͤſte herab, verließ die Kirche, und ging zum Profeſſor, um mich uͤber meinen beſtraf¬ ten Vorwitz tuͤchtig auslachen zu laſſen. Mein Wagen war reparirt und ich verließ G.,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/285>, abgerufen am 25.11.2024.