Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

dieses vergebliche Ringen und Streben schlich
trüber Unmuth in seine Seele, und oft entrann
er den Freunden, um in der Gegend von Rom
Baumgruppen -- einzelne landschaftliche Partien
heimlich zu zeichnen und zu mahlen. Aber auch
dies gerieth nicht mehr wie sonst, und zum ersten¬
mal zweifelte er an seinem wahren Künstlerberuf.
Die schönsten Hoffnungen schienen untergehn zu
wollen. "Ach mein hochverehrter Freund und
Lehrer," schrieb Berthold an Birkner, "Du
hast mir Großes zugetraut, aber -- hier, wo
es erst recht licht werden sollte in meiner Seele,
bin ich inne worden, daß das, was Du wahr¬
haftes Künstlergenie nanntest, nur etwa Talent --
äußere Fertigkeit der Hand war. Sage meinen
Aeltern, daß ich bald zurückkehren würde, um
irgend ein Handwerk zu erlernen, das mich künf¬
tig ernähre u. s. w." Birkner schrieb zurück:
"O, könnte ich doch bei Dir seyn, mein Sohn!
um Dich aufzurichten in Deinem Unmuth. Aber
glaube mir, Deine Zweifel sind es gerade, die

dieſes vergebliche Ringen und Streben ſchlich
truͤber Unmuth in ſeine Seele, und oft entrann
er den Freunden, um in der Gegend von Rom
Baumgruppen — einzelne landſchaftliche Partien
heimlich zu zeichnen und zu mahlen. Aber auch
dies gerieth nicht mehr wie ſonſt, und zum erſten¬
mal zweifelte er an ſeinem wahren Kuͤnſtlerberuf.
Die ſchoͤnſten Hoffnungen ſchienen untergehn zu
wollen. „Ach mein hochverehrter Freund und
Lehrer,“ ſchrieb Berthold an Birkner, „Du
haſt mir Großes zugetraut, aber — hier, wo
es erſt recht licht werden ſollte in meiner Seele,
bin ich inne worden, daß das, was Du wahr¬
haftes Kuͤnſtlergenie nannteſt, nur etwa Talent —
aͤußere Fertigkeit der Hand war. Sage meinen
Aeltern, daß ich bald zuruͤckkehren wuͤrde, um
irgend ein Handwerk zu erlernen, das mich kuͤnf¬
tig ernaͤhre u. ſ. w.“ Birkner ſchrieb zuruͤck:
„O, koͤnnte ich doch bei Dir ſeyn, mein Sohn!
um Dich aufzurichten in Deinem Unmuth. Aber
glaube mir, Deine Zweifel ſind es gerade, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="246"/>
die&#x017F;es vergebliche Ringen und Streben &#x017F;chlich<lb/>
tru&#x0364;ber Unmuth in &#x017F;eine Seele, und oft entrann<lb/>
er den Freunden, um in der Gegend von Rom<lb/>
Baumgruppen &#x2014; einzelne land&#x017F;chaftliche Partien<lb/>
heimlich zu zeichnen und zu mahlen. Aber auch<lb/>
dies gerieth nicht mehr wie &#x017F;on&#x017F;t, und zum er&#x017F;ten¬<lb/>
mal zweifelte er an &#x017F;einem wahren Ku&#x0364;n&#x017F;tlerberuf.<lb/>
Die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Hoffnungen &#x017F;chienen untergehn zu<lb/>
wollen. &#x201E;Ach mein hochverehrter Freund und<lb/>
Lehrer,&#x201C; &#x017F;chrieb <hi rendition="#g">Berthold</hi> an <hi rendition="#g">Birkner</hi>, &#x201E;Du<lb/>
ha&#x017F;t mir Großes zugetraut, aber &#x2014; hier, wo<lb/>
es er&#x017F;t recht licht werden &#x017F;ollte in meiner Seele,<lb/>
bin ich inne worden, daß das, was Du wahr¬<lb/>
haftes Ku&#x0364;n&#x017F;tlergenie nannte&#x017F;t, nur etwa Talent &#x2014;<lb/>
a&#x0364;ußere Fertigkeit der Hand war. Sage meinen<lb/>
Aeltern, daß ich bald zuru&#x0364;ckkehren wu&#x0364;rde, um<lb/>
irgend ein Handwerk zu erlernen, das mich ku&#x0364;nf¬<lb/>
tig erna&#x0364;hre u. &#x017F;. w.&#x201C; <hi rendition="#g">Birkner</hi> &#x017F;chrieb zuru&#x0364;ck:<lb/>
&#x201E;O, ko&#x0364;nnte ich doch bei Dir &#x017F;eyn, mein Sohn!<lb/>
um Dich aufzurichten in Deinem Unmuth. Aber<lb/>
glaube mir, Deine Zweifel &#x017F;ind es gerade, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] dieſes vergebliche Ringen und Streben ſchlich truͤber Unmuth in ſeine Seele, und oft entrann er den Freunden, um in der Gegend von Rom Baumgruppen — einzelne landſchaftliche Partien heimlich zu zeichnen und zu mahlen. Aber auch dies gerieth nicht mehr wie ſonſt, und zum erſten¬ mal zweifelte er an ſeinem wahren Kuͤnſtlerberuf. Die ſchoͤnſten Hoffnungen ſchienen untergehn zu wollen. „Ach mein hochverehrter Freund und Lehrer,“ ſchrieb Berthold an Birkner, „Du haſt mir Großes zugetraut, aber — hier, wo es erſt recht licht werden ſollte in meiner Seele, bin ich inne worden, daß das, was Du wahr¬ haftes Kuͤnſtlergenie nannteſt, nur etwa Talent — aͤußere Fertigkeit der Hand war. Sage meinen Aeltern, daß ich bald zuruͤckkehren wuͤrde, um irgend ein Handwerk zu erlernen, das mich kuͤnf¬ tig ernaͤhre u. ſ. w.“ Birkner ſchrieb zuruͤck: „O, koͤnnte ich doch bei Dir ſeyn, mein Sohn! um Dich aufzurichten in Deinem Unmuth. Aber glaube mir, Deine Zweifel ſind es gerade, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/254
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/254>, abgerufen am 17.05.2024.