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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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der Sclavenkette, fühllos für den Druck des Ir¬
dischen, sich frei, ja selbst sich Gott wähnen und
schaffen und herrschen wollen über Licht und Le¬
ben. -- Kennst Du die Fabel von dem Prome¬
theus, der Schöpfer seyn wollte, und das Feuer
vom Himmel stahl, um seine todten Figuren zu
beleben? -- Es gelang ihm, lebendig schritten
die Gestalten daher, und aus ihren Augen strahlte
jenes himmlische Feuer, das in ihrem Innern
brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der
sich angemaßt Göttliches zu fahen, verdammt zu
ewiger fürchterlicher Qual. Die Brust, die
das Göttliche geahnt, in der die Sehnsucht nach
dem Ueberirdischen aufgegangen, zerfleischte der
Geier, den die Rache geboren und der sich nun
nährte von dem eignen Innern des Vermessenen.
Der das Himmlische gewollt, fühlte ewig den
irdischen Schmerz." -- Der Mahler stand in
sich versunken da. "Aber," rief ich: "Aber
Berthold, wie beziehen Sie das Alles
auf Ihre Kunst? Ich glaube nicht, daß irgend

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der Sclavenkette, fuͤhllos fuͤr den Druck des Ir¬
diſchen, ſich frei, ja ſelbſt ſich Gott waͤhnen und
ſchaffen und herrſchen wollen uͤber Licht und Le¬
ben. — Kennſt Du die Fabel von dem Prome¬
theus, der Schoͤpfer ſeyn wollte, und das Feuer
vom Himmel ſtahl, um ſeine todten Figuren zu
beleben? — Es gelang ihm, lebendig ſchritten
die Geſtalten daher, und aus ihren Augen ſtrahlte
jenes himmliſche Feuer, das in ihrem Innern
brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der
ſich angemaßt Goͤttliches zu fahen, verdammt zu
ewiger fuͤrchterlicher Qual. Die Bruſt, die
das Goͤttliche geahnt, in der die Sehnſucht nach
dem Ueberirdiſchen aufgegangen, zerfleiſchte der
Geier, den die Rache geboren und der ſich nun
naͤhrte von dem eignen Innern des Vermeſſenen.
Der das Himmliſche gewollt, fuͤhlte ewig den
irdiſchen Schmerz.“ — Der Mahler ſtand in
ſich verſunken da. „Aber,“ rief ich: „Aber
Berthold, wie beziehen Sie das Alles
auf Ihre Kunſt? Ich glaube nicht, daß irgend

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[227/0235] der Sclavenkette, fuͤhllos fuͤr den Druck des Ir¬ diſchen, ſich frei, ja ſelbſt ſich Gott waͤhnen und ſchaffen und herrſchen wollen uͤber Licht und Le¬ ben. — Kennſt Du die Fabel von dem Prome¬ theus, der Schoͤpfer ſeyn wollte, und das Feuer vom Himmel ſtahl, um ſeine todten Figuren zu beleben? — Es gelang ihm, lebendig ſchritten die Geſtalten daher, und aus ihren Augen ſtrahlte jenes himmliſche Feuer, das in ihrem Innern brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der ſich angemaßt Goͤttliches zu fahen, verdammt zu ewiger fuͤrchterlicher Qual. Die Bruſt, die das Goͤttliche geahnt, in der die Sehnſucht nach dem Ueberirdiſchen aufgegangen, zerfleiſchte der Geier, den die Rache geboren und der ſich nun naͤhrte von dem eignen Innern des Vermeſſenen. Der das Himmliſche gewollt, fuͤhlte ewig den irdiſchen Schmerz.“ — Der Mahler ſtand in ſich verſunken da. „Aber,“ rief ich: „Aber Berthold, wie beziehen Sie das Alles auf Ihre Kunſt? Ich glaube nicht, daß irgend P 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/235>, abgerufen am 24.11.2024.