jestät des gothischen Baues recht von dem wahren Geist des Christenthums erzeugt seyn, der, über¬ sinnlich, dem sinnlichen, nur in dem Kreis des Irdischen bleibenden Geiste der antiken Welt ge¬ radezu widerstrebt?" -- Der Professor lächelte. "Ei," sprach er, "das höhere Reich soll man erkennen in dieser Welt und diese Erkenntniß darf geweckt werden durch heitere Symbole, wie sie das Leben, ja der aus jenem Reich ins irdi¬ sche Leben herabgekommene Geist, darbietet. Un¬ sere Heimath ist wohl dort droben; aber so lange wir hier hausen, ist unser Reich auch von dieser Welt." Ja wohl, dachte ich: in Allem was Ihr thatet, bewieset ihr, daß Euer Reich von dieser Welt, ja nur allein von dieser Welt ist. Ich sagte aber das, was ich dachte, keinesweges dem Professor Aloysius Walter, welcher also fortfuhr: "Was Sie von der Pracht unserer Gebäude hier am Orte sagen, möchte sich wol nur auf die Annehmlichkeit der Form beziehen. Hier, wo der Marmor unerschwinglich ist, wo
jeſtaͤt des gothiſchen Baues recht von dem wahren Geiſt des Chriſtenthums erzeugt ſeyn, der, uͤber¬ ſinnlich, dem ſinnlichen, nur in dem Kreis des Irdiſchen bleibenden Geiſte der antiken Welt ge¬ radezu widerſtrebt?“ — Der Profeſſor laͤchelte. „Ei,“ ſprach er, „das hoͤhere Reich ſoll man erkennen in dieſer Welt und dieſe Erkenntniß darf geweckt werden durch heitere Symbole, wie ſie das Leben, ja der aus jenem Reich ins irdi¬ ſche Leben herabgekommene Geiſt, darbietet. Un¬ ſere Heimath iſt wohl dort droben; aber ſo lange wir hier hauſen, iſt unſer Reich auch von dieſer Welt.“ Ja wohl, dachte ich: in Allem was Ihr thatet, bewieſet ihr, daß Euer Reich von dieſer Welt, ja nur allein von dieſer Welt iſt. Ich ſagte aber das, was ich dachte, keinesweges dem Profeſſor Aloyſius Walter, welcher alſo fortfuhr: „Was Sie von der Pracht unſerer Gebaͤude hier am Orte ſagen, moͤchte ſich wol nur auf die Annehmlichkeit der Form beziehen. Hier, wo der Marmor unerſchwinglich iſt, wo
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Geiſt des Chriſtenthums erzeugt ſeyn, der, uͤber¬
ſinnlich, dem ſinnlichen, nur in dem Kreis des
Irdiſchen bleibenden Geiſte der antiken Welt ge¬
radezu widerſtrebt?“ — Der Profeſſor laͤchelte.
„Ei,“ ſprach er, „das hoͤhere Reich ſoll man
erkennen in dieſer Welt und dieſe Erkenntniß
darf geweckt werden durch heitere Symbole, wie
ſie das Leben, ja der aus jenem Reich ins irdi¬
ſche Leben herabgekommene Geiſt, darbietet. Un¬
ſere Heimath iſt wohl dort droben; aber ſo lange
wir hier hauſen, iſt unſer Reich auch von dieſer
Welt.“ Ja wohl, dachte ich: in Allem was
Ihr thatet, bewieſet ihr, daß Euer Reich von
dieſer Welt, ja nur allein von dieſer Welt iſt.
Ich ſagte aber das, was ich dachte, keinesweges
dem Profeſſor Aloyſius Walter, welcher
alſo fortfuhr: „Was Sie von der Pracht unſerer
Gebaͤude hier am Orte ſagen, moͤchte ſich wol
nur auf die Annehmlichkeit der Form beziehen.
Hier, wo der Marmor unerſchwinglich iſt, wo
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/224>, abgerufen am 25.11.2024.
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