"nicht albern genug zu läugnen, daß die Distel Ze¬ "herit in dem Augenblick, da sie Gamaheh's süßer "Athem traf, in glühender Liebe und Sehnsucht er¬ "blühte und daß, als sie die Schläfe der holden Prin¬ "zessin berührte, diese auch süß träumend in Liebe "kam. Zu spät gewahrte die Distel den Egelprinzen, "den sie sonst mit ihren Stacheln augenblicklich ge¬ "tödtet hätte. Doch wär' es ihr mit Hülfe der Wur¬ "zel Mandragora gelungen, die Prinzessin wieder in "das Leben zurückzubringen, kam nicht der tölpische "Genius Thetel dazwischen mit seinen ungeschickten "Rettungsversuchen. -- Wahr ist es, daß Thetel im "Zorn in die Salzmeste griff, die er auf Reisen ge¬ "wöhnlich am Gürtel zu tragenpflegt, wie Pantagruel "seine Gewürzbarke, und eine tüchtige Hand voll "Salz nach dem Egelprinzen warf, ganz falsch aber, "daß er ihn dadurch getödtet haben sollte. Alles Salz "fiel in den Schlamm, nicht ein einziges Körnlein "traf den Egelprinzen, den die Distel Zeherit mit "ihren Stacheln tödtete, so den Tod der Prinzessin "rächte und sich dann selbst dem Tode weihte. Bloß "der Genius Thetel, der sich in Dinge mischte, die "ihn nichts angingen, ist daran Schuld, daß die "Prinzessin so lange im Blumenschlaf liegen mußte; "die Distel Zeherit erwachte viel früher. Denn beider
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»nicht albern genug zu läugnen, daß die Diſtel Ze¬ »herit in dem Augenblick, da ſie Gamaheh's ſüßer »Athem traf, in glühender Liebe und Sehnſucht er¬ »blühte und daß, als ſie die Schläfe der holden Prin¬ »zeſſin berührte, dieſe auch ſüß träumend in Liebe »kam. Zu ſpät gewahrte die Diſtel den Egelprinzen, »den ſie ſonſt mit ihren Stacheln augenblicklich ge¬ »tödtet hätte. Doch wär' es ihr mit Hülfe der Wur¬ »zel Mandragora gelungen, die Prinzeſſin wieder in »das Leben zurückzubringen, kam nicht der tölpiſche »Genius Thetel dazwiſchen mit ſeinen ungeſchickten »Rettungsverſuchen. — Wahr iſt es, daß Thetel im »Zorn in die Salzmeſte griff, die er auf Reiſen ge¬ »wöhnlich am Gürtel zu tragenpflegt, wie Pantagruel »ſeine Gewürzbarke, und eine tüchtige Hand voll »Salz nach dem Egelprinzen warf, ganz falſch aber, »daß er ihn dadurch getödtet haben ſollte. Alles Salz »fiel in den Schlamm, nicht ein einziges Körnlein »traf den Egelprinzen, den die Diſtel Zeherit mit »ihren Stacheln tödtete, ſo den Tod der Prinzeſſin »rächte und ſich dann ſelbſt dem Tode weihte. Bloß »der Genius Thetel, der ſich in Dinge miſchte, die »ihn nichts angingen, iſt daran Schuld, daß die »Prinzeſſin ſo lange im Blumenſchlaf liegen mußte; »die Diſtel Zeherit erwachte viel früher. Denn beider
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»nicht albern genug zu läugnen, daß die Diſtel Ze¬
»herit in dem Augenblick, da ſie Gamaheh's ſüßer
»Athem traf, in glühender Liebe und Sehnſucht er¬
»blühte und daß, als ſie die Schläfe der holden Prin¬
»zeſſin berührte, dieſe auch ſüß träumend in Liebe
»kam. Zu ſpät gewahrte die Diſtel den Egelprinzen,
»den ſie ſonſt mit ihren Stacheln augenblicklich ge¬
»tödtet hätte. Doch wär' es ihr mit Hülfe der Wur¬
»zel Mandragora gelungen, die Prinzeſſin wieder in
»das Leben zurückzubringen, kam nicht der tölpiſche
»Genius Thetel dazwiſchen mit ſeinen ungeſchickten
»Rettungsverſuchen. — Wahr iſt es, daß Thetel im
»Zorn in die Salzmeſte griff, die er auf Reiſen ge¬
»wöhnlich am Gürtel zu tragenpflegt, wie Pantagruel
»ſeine Gewürzbarke, und eine tüchtige Hand voll
»Salz nach dem Egelprinzen warf, ganz falſch aber,
»daß er ihn dadurch getödtet haben ſollte. Alles Salz
»fiel in den Schlamm, nicht ein einziges Körnlein
»traf den Egelprinzen, den die Diſtel Zeherit mit
»ihren Stacheln tödtete, ſo den Tod der Prinzeſſin
»rächte und ſich dann ſelbſt dem Tode weihte. Bloß
»der Genius Thetel, der ſich in Dinge miſchte, die
»ihn nichts angingen, iſt daran Schuld, daß die
»Prinzeſſin ſo lange im Blumenſchlaf liegen mußte;
»die Diſtel Zeherit erwachte viel früher. Denn beider
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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