eine Sünde begangen, die er nie, nie werde abbüßen können.
Ganz aufgelößt in Wehmuth und Schmerz, stürzte er dem erschrockenen Röschen zu Füßen, rief: er sey ein Frevler, ein sündiger Mensch, der der Liebe eines engelreinen Wesens, wie Röschen, nicht werth sey, badete sich in Thränen.
Röschen, die nicht begreifen konnte, welcher finstere Geist über Peregrinus gekommen, sank zu ihm nieder, umfaßte ihn, indem sie weinend lis¬ pelte: "Um Gott, mein geliebter Peregrinus, was ist dir! was ist dir geschehen? welcher schlimme Feind stellt sich zwischen uns; o komm, o komm, setze dich ruhig zu mir nieder!"
Peregrinus ließ sich schweigend, keiner willkühr¬ lichen Bewegung fähig, von Röschen sanft in die Höhe ziehen.
Es war gut, daß das alte etwas zerbrechliche Ka¬ napee wie gewöhnlich, mit brochirten Büchern, fertigen Einbänden und einem nicht geringen Vorrath von aller¬ lei Buchbinderutensilien bepackt war; so daß Rös¬ chen manches wegräumen mußte, um Platz für sich und den zerknirschten Herrn Peregrinus Tyß zu ge¬ winnen. Er bekam dadurch Zeit, sich zu erholen und sein großer Schmerz, seine herzzerreißende Wehmuth
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eine Sünde begangen, die er nie, nie werde abbüßen können.
Ganz aufgelößt in Wehmuth und Schmerz, ſtürzte er dem erſchrockenen Röschen zu Füßen, rief: er ſey ein Frevler, ein ſündiger Menſch, der der Liebe eines engelreinen Weſens, wie Röschen, nicht werth ſey, badete ſich in Thränen.
Röschen, die nicht begreifen konnte, welcher finſtere Geiſt über Peregrinus gekommen, ſank zu ihm nieder, umfaßte ihn, indem ſie weinend lis¬ pelte: »Um Gott, mein geliebter Peregrinus, was iſt dir! was iſt dir geſchehen? welcher ſchlimme Feind ſtellt ſich zwiſchen uns; o komm, o komm, ſetze dich ruhig zu mir nieder!»
Peregrinus ließ ſich ſchweigend, keiner willkühr¬ lichen Bewegung fähig, von Röschen ſanft in die Höhe ziehen.
Es war gut, daß das alte etwas zerbrechliche Ka¬ napee wie gewöhnlich, mit brochirten Büchern, fertigen Einbänden und einem nicht geringen Vorrath von aller¬ lei Buchbinderutenſilien bepackt war; ſo daß Rös¬ chen manches wegräumen mußte, um Platz für ſich und den zerknirſchten Herrn Peregrinus Tyß zu ge¬ winnen. Er bekam dadurch Zeit, ſich zu erholen und ſein großer Schmerz, ſeine herzzerreißende Wehmuth
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eine Sünde begangen, die er nie, nie werde abbüßen
können.
Ganz aufgelößt in Wehmuth und Schmerz,
ſtürzte er dem erſchrockenen Röschen zu Füßen, rief:
er ſey ein Frevler, ein ſündiger Menſch, der der Liebe
eines engelreinen Weſens, wie Röschen, nicht werth
ſey, badete ſich in Thränen.
Röschen, die nicht begreifen konnte, welcher
finſtere Geiſt über Peregrinus gekommen, ſank zu
ihm nieder, umfaßte ihn, indem ſie weinend lis¬
pelte: »Um Gott, mein geliebter Peregrinus, was
iſt dir! was iſt dir geſchehen? welcher ſchlimme Feind
ſtellt ſich zwiſchen uns; o komm, o komm, ſetze dich
ruhig zu mir nieder!»
Peregrinus ließ ſich ſchweigend, keiner willkühr¬
lichen Bewegung fähig, von Röschen ſanft in die
Höhe ziehen.
Es war gut, daß das alte etwas zerbrechliche Ka¬
napee wie gewöhnlich, mit brochirten Büchern, fertigen
Einbänden und einem nicht geringen Vorrath von aller¬
lei Buchbinderutenſilien bepackt war; ſo daß Rös¬
chen manches wegräumen mußte, um Platz für ſich
und den zerknirſchten Herrn Peregrinus Tyß zu ge¬
winnen. Er bekam dadurch Zeit, ſich zu erholen und
ſein großer Schmerz, ſeine herzzerreißende Wehmuth
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/248>, abgerufen am 15.08.2024.
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