Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

So wie Peregrinus dieß vernahm, griff er ha¬
stig nach den saubern Maroquinbänden, als müsse er
sich des Heiligthums bemächtigen, ehe ein feindlicher
Zufall es ihm raube. Lämmerhirt hielt das für ein
Zeichen, daß Peregrinus fort wolle und bat ihn, es
sich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu
lassen. Eben dieß erinnerte aber den Peregrinus,
daß er doch endlich sich losreißen müsse. Er zahlte
schnell die Rechnung und Lämmerhirt reichte ihm wie
gewöhnlich die Hand zum Abschiede, die Frau that
dasselbe und auch Röschen! -- Die Jungen standen
in der offnen Thüre und damit der Liebesthorheit ihr
Recht geschehe, riß Peregrinus im Hinausschreiten
dem Jüngsten das Restchen Butterstolle aus der Hand,
an dem er eben kaute und rannte wie gehetzt die Treppe
hinab.

"Nun nun," sprach der Kleine ganz verdutzt,
"was ist denn das? Hätt' es mir ja sagen können,
"der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hätt' ihm
"ja gern meine ganze Stolle gegeben!" --

Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß
nach Hause, die schweren Quartanten mühsam unter
dem Arm fortschleppend und mit verklärtem Blick ei¬
nen Bissen des Butterstollen Restes nach dem andern

So wie Peregrinus dieß vernahm, griff er ha¬
ſtig nach den ſaubern Maroquinbänden, als müſſe er
ſich des Heiligthums bemächtigen, ehe ein feindlicher
Zufall es ihm raube. Lämmerhirt hielt das für ein
Zeichen, daß Peregrinus fort wolle und bat ihn, es
ſich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu
laſſen. Eben dieß erinnerte aber den Peregrinus,
daß er doch endlich ſich losreißen müſſe. Er zahlte
ſchnell die Rechnung und Lämmerhirt reichte ihm wie
gewöhnlich die Hand zum Abſchiede, die Frau that
daſſelbe und auch Röschen! — Die Jungen ſtanden
in der offnen Thüre und damit der Liebesthorheit ihr
Recht geſchehe, riß Peregrinus im Hinausſchreiten
dem Jüngſten das Reſtchen Butterſtolle aus der Hand,
an dem er eben kaute und rannte wie gehetzt die Treppe
hinab.

»Nun nun,» ſprach der Kleine ganz verdutzt,
»was iſt denn das? Hätt' es mir ja ſagen können,
»der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hätt' ihm
»ja gern meine ganze Stolle gegeben!» —

Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß
nach Hauſe, die ſchweren Quartanten mühſam unter
dem Arm fortſchleppend und mit verklärtem Blick ei¬
nen Biſſen des Butterſtollen Reſtes nach dem andern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0241" n="236"/>
          <p>So wie Peregrinus dieß vernahm, griff er ha¬<lb/>
&#x017F;tig nach den &#x017F;aubern Maroquinbänden, als mü&#x017F;&#x017F;e er<lb/>
&#x017F;ich des Heiligthums bemächtigen, ehe ein feindlicher<lb/>
Zufall es ihm raube. Lämmerhirt hielt das für ein<lb/>
Zeichen, daß Peregrinus fort wolle und bat ihn, es<lb/>
&#x017F;ich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Eben dieß erinnerte aber den Peregrinus,<lb/>
daß er doch endlich &#x017F;ich losreißen mü&#x017F;&#x017F;e. Er zahlte<lb/>
&#x017F;chnell die Rechnung und Lämmerhirt reichte ihm wie<lb/>
gewöhnlich die Hand zum Ab&#x017F;chiede, die Frau that<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe und auch Röschen! &#x2014; Die Jungen &#x017F;tanden<lb/>
in der offnen Thüre und damit der Liebesthorheit ihr<lb/>
Recht ge&#x017F;chehe, riß Peregrinus im Hinaus&#x017F;chreiten<lb/>
dem Jüng&#x017F;ten das Re&#x017F;tchen Butter&#x017F;tolle aus der Hand,<lb/>
an dem er eben kaute und rannte wie gehetzt die Treppe<lb/>
hinab.</p><lb/>
          <p>»Nun nun,» &#x017F;prach der Kleine ganz verdutzt,<lb/>
»was i&#x017F;t denn das? Hätt' es mir ja &#x017F;agen können,<lb/>
»der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hätt' ihm<lb/>
»ja gern meine ganze Stolle gegeben!» &#x2014;</p><lb/>
          <p>Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß<lb/>
nach Hau&#x017F;e, die &#x017F;chweren Quartanten müh&#x017F;am unter<lb/>
dem Arm fort&#x017F;chleppend und mit verklärtem Blick ei¬<lb/>
nen Bi&#x017F;&#x017F;en des Butter&#x017F;tollen Re&#x017F;tes nach dem andern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0241] So wie Peregrinus dieß vernahm, griff er ha¬ ſtig nach den ſaubern Maroquinbänden, als müſſe er ſich des Heiligthums bemächtigen, ehe ein feindlicher Zufall es ihm raube. Lämmerhirt hielt das für ein Zeichen, daß Peregrinus fort wolle und bat ihn, es ſich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu laſſen. Eben dieß erinnerte aber den Peregrinus, daß er doch endlich ſich losreißen müſſe. Er zahlte ſchnell die Rechnung und Lämmerhirt reichte ihm wie gewöhnlich die Hand zum Abſchiede, die Frau that daſſelbe und auch Röschen! — Die Jungen ſtanden in der offnen Thüre und damit der Liebesthorheit ihr Recht geſchehe, riß Peregrinus im Hinausſchreiten dem Jüngſten das Reſtchen Butterſtolle aus der Hand, an dem er eben kaute und rannte wie gehetzt die Treppe hinab. »Nun nun,» ſprach der Kleine ganz verdutzt, »was iſt denn das? Hätt' es mir ja ſagen können, »der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hätt' ihm »ja gern meine ganze Stolle gegeben!» — Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß nach Hauſe, die ſchweren Quartanten mühſam unter dem Arm fortſchleppend und mit verklärtem Blick ei¬ nen Biſſen des Butterſtollen Reſtes nach dem andern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/241
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/241>, abgerufen am 27.11.2024.