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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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"gar sehr bedürfen werde. Vergessen Sie mein mür¬
"risches Betragen und lassen Sie uns einander näher
"treten. Ihr Vater war ein einsichtsvoller Mann
"und mein herzlichster Freund, aber was Wissenschaft,
"tiefen Verstand, reife Urtheilskraft, geübten rich¬
"tigen Lebensblick betrifft, so thut es der Sohn dem
" Vater zuvor. Sie glauben gar nicht wie ich Sie
"hochschätze, mein bester würdigster Herr Tyß." --

"Jetzt ist es Zeit," lispelte Meister Floh, und
in dem Augenblick fühlte Peregrinus in der Pupille
des linken Auges einen geringen schnell vorübergehen¬
den Schmerz. Er wußte, daß Meister Floh ihm das
mikroskopische Glas ins Auge gesetzt, doch fürwahr,
diese Wirkung des Glases hatte er nicht ahnen kön¬
nen. Hinter der Hornhaut von Herrn Swammers
Augen gewahrte er seltsame Nerven und Aeste, de¬
ren wunderlich verkreuzten Gang er bis tief ins Ge¬
hirn zu verfolgen und zu erkennen vermochte, daß es
Swammers Gedanken waren. Die lauteten aber un¬
gefähr : Hätte ich doch nicht geglaubt daß ich hier so
wohlfeilen Kaufs davon komme, daß ich nicht besser
ausgefragt werden würde. War aber der Herr Papa
ein beschränkter Mensch, auf den ich niemals etwas
gab, so ist der Sohn noch verwirrteren Sinnes, dem
ein großer Besitz kindischer Albernheit zugegeben. Er¬

»gar ſehr bedürfen werde. Vergeſſen Sie mein mür¬
»riſches Betragen und laſſen Sie uns einander näher
»treten. Ihr Vater war ein einſichtsvoller Mann
»und mein herzlichſter Freund, aber was Wiſſenſchaft,
»tiefen Verſtand, reife Urtheilskraft, geübten rich¬
»tigen Lebensblick betrifft, ſo thut es der Sohn dem
» Vater zuvor. Sie glauben gar nicht wie ich Sie
»hochſchätze, mein beſter würdigſter Herr Tyß.» —

»Jetzt iſt es Zeit,» lispelte Meiſter Floh, und
in dem Augenblick fühlte Peregrinus in der Pupille
des linken Auges einen geringen ſchnell vorübergehen¬
den Schmerz. Er wußte, daß Meiſter Floh ihm das
mikroskopiſche Glas ins Auge geſetzt, doch fürwahr,
dieſe Wirkung des Glaſes hatte er nicht ahnen kön¬
nen. Hinter der Hornhaut von Herrn Swammers
Augen gewahrte er ſeltſame Nerven und Aeſte, de¬
ren wunderlich verkreuzten Gang er bis tief ins Ge¬
hirn zu verfolgen und zu erkennen vermochte, daß es
Swammers Gedanken waren. Die lauteten aber un¬
gefähr : Hätte ich doch nicht geglaubt daß ich hier ſo
wohlfeilen Kaufs davon komme, daß ich nicht beſſer
ausgefragt werden würde. War aber der Herr Papa
ein beſchränkter Menſch, auf den ich niemals etwas
gab, ſo iſt der Sohn noch verwirrteren Sinnes, dem
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[118/0123] »gar ſehr bedürfen werde. Vergeſſen Sie mein mür¬ »riſches Betragen und laſſen Sie uns einander näher »treten. Ihr Vater war ein einſichtsvoller Mann »und mein herzlichſter Freund, aber was Wiſſenſchaft, »tiefen Verſtand, reife Urtheilskraft, geübten rich¬ »tigen Lebensblick betrifft, ſo thut es der Sohn dem » Vater zuvor. Sie glauben gar nicht wie ich Sie »hochſchätze, mein beſter würdigſter Herr Tyß.» — »Jetzt iſt es Zeit,» lispelte Meiſter Floh, und in dem Augenblick fühlte Peregrinus in der Pupille des linken Auges einen geringen ſchnell vorübergehen¬ den Schmerz. Er wußte, daß Meiſter Floh ihm das mikroskopiſche Glas ins Auge geſetzt, doch fürwahr, dieſe Wirkung des Glaſes hatte er nicht ahnen kön¬ nen. Hinter der Hornhaut von Herrn Swammers Augen gewahrte er ſeltſame Nerven und Aeſte, de¬ ren wunderlich verkreuzten Gang er bis tief ins Ge¬ hirn zu verfolgen und zu erkennen vermochte, daß es Swammers Gedanken waren. Die lauteten aber un¬ gefähr : Hätte ich doch nicht geglaubt daß ich hier ſo wohlfeilen Kaufs davon komme, daß ich nicht beſſer ausgefragt werden würde. War aber der Herr Papa ein beſchränkter Menſch, auf den ich niemals etwas gab, ſo iſt der Sohn noch verwirrteren Sinnes, dem ein großer Beſitz kindiſcher Albernheit zugegeben. Er¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/123>, abgerufen am 11.05.2024.