Ihr Gelübde war mein Trost, meine Hoff¬ nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erst wieder bemerkte, schien die Aenderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit sanfter Stimme sprach er: "Du hast dem Feinde widerstanden, mein Sohn! das war wohl die letzte schwere Prüfung die Dir die ewige Macht auferlegt!" --
Das Gelübde war gesprochen; während eines Wechselgesanges den die Klaren Schwe¬ stern anstimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrthen und Rosen aus dem Haar geflochten, schon stand man im Begriff die herabwallen¬ den Locken abzuschneiden, als ein Getümmel in der Kirche entstand -- ich sah, wie die Menschen aus einander gedrängt und zu Boden geworfen wurden; -- näher und näher wir¬ belte der Tumult. -- Mit rasender Gebähr¬ de, -- mit wildem, entsetzlichen Blick dräng¬ te sich ein halbnackter Mensch, (die Lumpen
Ihr Geluͤbde war mein Troſt, meine Hoff¬ nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erſt wieder bemerkte, ſchien die Aenderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit ſanfter Stimme ſprach er: „Du haſt dem Feinde widerſtanden, mein Sohn! das war wohl die letzte ſchwere Pruͤfung die Dir die ewige Macht auferlegt!“ —
Das Geluͤbde war geſprochen; waͤhrend eines Wechſelgeſanges den die Klaren Schwe¬ ſtern anſtimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrthen und Roſen aus dem Haar geflochten, ſchon ſtand man im Begriff die herabwallen¬ den Locken abzuſchneiden, als ein Getuͤmmel in der Kirche entſtand — ich ſah, wie die Menſchen aus einander gedraͤngt und zu Boden geworfen wurden; — naͤher und naͤher wir¬ belte der Tumult. — Mit raſender Gebaͤhr¬ de, — mit wildem, entſetzlichen Blick draͤng¬ te ſich ein halbnackter Menſch, (die Lumpen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0358"n="350"/>
Ihr Geluͤbde war mein Troſt, meine Hoff¬<lb/>
nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des<lb/>
Himmels auf. Leonardus, den ich nun erſt<lb/>
wieder bemerkte, ſchien die Aenderung in<lb/>
meinem Innern wahrzunehmen, denn mit<lb/>ſanfter Stimme ſprach er: „Du haſt dem<lb/>
Feinde widerſtanden, mein Sohn! das war<lb/>
wohl die letzte ſchwere Pruͤfung die Dir die<lb/>
ewige Macht auferlegt!“—</p><lb/><p>Das Geluͤbde war geſprochen; waͤhrend<lb/>
eines Wechſelgeſanges den die Klaren Schwe¬<lb/>ſtern anſtimmten, wollte man Aurelien das<lb/>
Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die<lb/>
Myrthen und Roſen aus dem Haar geflochten,<lb/>ſchon ſtand man im Begriff die herabwallen¬<lb/>
den Locken abzuſchneiden, als ein Getuͤmmel<lb/>
in der Kirche entſtand — ich ſah, wie die<lb/>
Menſchen aus einander gedraͤngt und zu Boden<lb/>
geworfen wurden; — naͤher und naͤher wir¬<lb/>
belte der Tumult. — Mit raſender Gebaͤhr¬<lb/>
de, — mit wildem, entſetzlichen Blick draͤng¬<lb/>
te ſich ein halbnackter Menſch, (die Lumpen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[350/0358]
Ihr Geluͤbde war mein Troſt, meine Hoff¬
nung, und hell ging in mir die Heiterkeit des
Himmels auf. Leonardus, den ich nun erſt
wieder bemerkte, ſchien die Aenderung in
meinem Innern wahrzunehmen, denn mit
ſanfter Stimme ſprach er: „Du haſt dem
Feinde widerſtanden, mein Sohn! das war
wohl die letzte ſchwere Pruͤfung die Dir die
ewige Macht auferlegt!“ —
Das Geluͤbde war geſprochen; waͤhrend
eines Wechſelgeſanges den die Klaren Schwe¬
ſtern anſtimmten, wollte man Aurelien das
Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die
Myrthen und Roſen aus dem Haar geflochten,
ſchon ſtand man im Begriff die herabwallen¬
den Locken abzuſchneiden, als ein Getuͤmmel
in der Kirche entſtand — ich ſah, wie die
Menſchen aus einander gedraͤngt und zu Boden
geworfen wurden; — naͤher und naͤher wir¬
belte der Tumult. — Mit raſender Gebaͤhr¬
de, — mit wildem, entſetzlichen Blick draͤng¬
te ſich ein halbnackter Menſch, (die Lumpen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/358>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.