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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Seminar in B. studirte; ich beschloß, seine
einfachen Lebensumstände mir anzueignen.
So gerüstet, begann ich in folgender Art: "Es
"mag wohl seyn, daß man mich eines schwe¬
"ren Verbrechens beschuldigt, ich habe indes¬
"sen hier unter den Augen des Fürsten und
"der ganzen Stadt gelebt, und es ist während
"der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬
"chen verübt worden, für dessen Urheber ich
"gehalten werden oder dessen Theilnehmer
"ich seyn könnte. Es muß also ein Fremder
"seyn, der mich eines in früherer Zeit be¬
"gangenen Verbrechens anklagt, und da ich
"mich von aller Schuld völlig rein fühle, so
"hat vielleicht nur eine unglückliche Aehnlich¬
"keit die Vermuthung meiner Schuld erregt;
"um so härter finde ich es aber, daß man
"mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter
"Meinungen wegen, dem überführten Verbre¬
"cher gleich, in ein strenges Criminal-Ge¬
"fängniß sperrt. Warum stellt man mich nicht
"meinem leichtsinnigen, vielleicht boshaften

Seminar in B. ſtudirte; ich beſchloß, ſeine
einfachen Lebensumſtaͤnde mir anzueignen.
So geruͤſtet, begann ich in folgender Art: „Es
„mag wohl ſeyn, daß man mich eines ſchwe¬
„ren Verbrechens beſchuldigt, ich habe indeſ¬
„ſen hier unter den Augen des Fuͤrſten und
„der ganzen Stadt gelebt, und es iſt waͤhrend
„der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬
„chen veruͤbt worden, fuͤr deſſen Urheber ich
„gehalten werden oder deſſen Theilnehmer
„ich ſeyn koͤnnte. Es muß alſo ein Fremder
„ſeyn, der mich eines in fruͤherer Zeit be¬
„gangenen Verbrechens anklagt, und da ich
„mich von aller Schuld voͤllig rein fuͤhle, ſo
„hat vielleicht nur eine ungluͤckliche Aehnlich¬
„keit die Vermuthung meiner Schuld erregt;
„um ſo haͤrter finde ich es aber, daß man
„mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter
„Meinungen wegen, dem uͤberfuͤhrten Verbre¬
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„faͤngniß ſperrt. Warum ſtellt man mich nicht
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[24/0032] Seminar in B. ſtudirte; ich beſchloß, ſeine einfachen Lebensumſtaͤnde mir anzueignen. So geruͤſtet, begann ich in folgender Art: „Es „mag wohl ſeyn, daß man mich eines ſchwe¬ „ren Verbrechens beſchuldigt, ich habe indeſ¬ „ſen hier unter den Augen des Fuͤrſten und „der ganzen Stadt gelebt, und es iſt waͤhrend „der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbre¬ „chen veruͤbt worden, fuͤr deſſen Urheber ich „gehalten werden oder deſſen Theilnehmer „ich ſeyn koͤnnte. Es muß alſo ein Fremder „ſeyn, der mich eines in fruͤherer Zeit be¬ „gangenen Verbrechens anklagt, und da ich „mich von aller Schuld voͤllig rein fuͤhle, ſo „hat vielleicht nur eine ungluͤckliche Aehnlich¬ „keit die Vermuthung meiner Schuld erregt; „um ſo haͤrter finde ich es aber, daß man „mich leerer Vermuthungen und vorgefaßter „Meinungen wegen, dem uͤberfuͤhrten Verbre¬ „cher gleich, in ein ſtrenges Criminal-Ge¬ „faͤngniß ſperrt. Warum ſtellt man mich nicht „meinem leichtſinnigen, vielleicht boshaften

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/32>, abgerufen am 25.04.2024.