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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Hauch sollte das Wasser umwandeln in Blut,
doch geschah es nicht, die Leiche richtete sich
auf und starrte mich an mit hohlen gräßli¬
chen Augen und heulte wie der Nordwind
in tiefer Kluft: Verblendeter, thörichter Ge¬
danke, kein Kampf zwischen Licht und Feuer,
aber das Licht ist die Feuertaufe durch das
Roth, das Du zu vergiften trachtest -- Die
Leiche sank nieder; alle Blumen auf der Flur
neigten verwelkt ihre Häupter, Menschen,
bleichen Gespenstern ähnlich, warfen sich zur
Erde und ein tausendstimmiger trostloser Jam¬
mer stieg in die Lüfte: O Herr, Herr! ist so un¬
ermeßlich die Last unsrer Sünde, daß Du Macht
giebst dem Feinde unseres Blutes Sühnopfer zu
ertödten? Stärker und stärker, wie des Mee¬
res brausende Welle, schwoll die Klage! --
der Gedanke wollte zerstäuben in dem gewal¬
tigen Ton des trostlosen Jammers, da wurde
ich wie durch einen elektrischen Schlag em¬
porgerissen aus dem Traum. Die Thurm¬
glocke des Klosters schlug zwölfe, ein blen¬

Hauch ſollte das Waſſer umwandeln in Blut,
doch geſchah es nicht, die Leiche richtete ſich
auf und ſtarrte mich an mit hohlen graͤßli¬
chen Augen und heulte wie der Nordwind
in tiefer Kluft: Verblendeter, thoͤrichter Ge¬
danke, kein Kampf zwiſchen Licht und Feuer,
aber das Licht iſt die Feuertaufe durch das
Roth, das Du zu vergiften trachteſt — Die
Leiche ſank nieder; alle Blumen auf der Flur
neigten verwelkt ihre Haͤupter, Menſchen,
bleichen Geſpenſtern aͤhnlich, warfen ſich zur
Erde und ein tauſendſtimmiger troſtloſer Jam¬
mer ſtieg in die Luͤfte: O Herr, Herr! iſt ſo un¬
ermeßlich die Laſt unſrer Suͤnde, daß Du Macht
giebſt dem Feinde unſeres Blutes Suͤhnopfer zu
ertoͤdten? Staͤrker und ſtaͤrker, wie des Mee¬
res brauſende Welle, ſchwoll die Klage! —
der Gedanke wollte zerſtaͤuben in dem gewal¬
tigen Ton des troſtloſen Jammers, da wurde
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glocke des Kloſters ſchlug zwoͤlfe, ein blen¬

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[290/0298] Hauch ſollte das Waſſer umwandeln in Blut, doch geſchah es nicht, die Leiche richtete ſich auf und ſtarrte mich an mit hohlen graͤßli¬ chen Augen und heulte wie der Nordwind in tiefer Kluft: Verblendeter, thoͤrichter Ge¬ danke, kein Kampf zwiſchen Licht und Feuer, aber das Licht iſt die Feuertaufe durch das Roth, das Du zu vergiften trachteſt — Die Leiche ſank nieder; alle Blumen auf der Flur neigten verwelkt ihre Haͤupter, Menſchen, bleichen Geſpenſtern aͤhnlich, warfen ſich zur Erde und ein tauſendſtimmiger troſtloſer Jam¬ mer ſtieg in die Luͤfte: O Herr, Herr! iſt ſo un¬ ermeßlich die Laſt unſrer Suͤnde, daß Du Macht giebſt dem Feinde unſeres Blutes Suͤhnopfer zu ertoͤdten? Staͤrker und ſtaͤrker, wie des Mee¬ res brauſende Welle, ſchwoll die Klage! — der Gedanke wollte zerſtaͤuben in dem gewal¬ tigen Ton des troſtloſen Jammers, da wurde ich wie durch einen elektriſchen Schlag em¬ porgeriſſen aus dem Traum. Die Thurm¬ glocke des Kloſters ſchlug zwoͤlfe, ein blen¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/298>, abgerufen am 17.05.2024.