Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von mir ist der Gedanke schnöder Heuchelei, fern von mir jede ehrgeizige Absicht, das Volk zu täuschen auf verruchte Weise. -- Ver¬ gönnt es dem büßenden Mönche, o hochhei¬ liger Herr! daß er in kurzen Worten sein verbrecherisches Leben, aber auch das, was er in der tiefsten Reue und Zerknirschung begonnen, Euch enthülle!" -- So fing ich an, und erzählte nun, ohne Namen zu nen¬ nen und so gedrängt als möglich, meinen ganzen Lebenslauf. Aufmerksamer und auf¬ merksamer wurde der Pabst. Er setzte sich in den Lehnstuhl, und stützte den Kopf in die Hand; er sah zur Erde nieder, dann fuhr er plötzlich in die Höhe; die Hände über einander geschlagen und mit dem rechten Fuß ausschreitend, als wolle er auf mich zutre¬ ten, starrte er mich an mit glühenden Au¬ gen. Als ich geendet, setzte er sich aufs neue. "Eure Geschichte, Mönch Medardus! fing er an: ist die verwunderlichste die ich je¬
mals
Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von mir iſt der Gedanke ſchnoͤder Heuchelei, fern von mir jede ehrgeizige Abſicht, das Volk zu taͤuſchen auf verruchte Weiſe. — Ver¬ goͤnnt es dem buͤßenden Moͤnche, o hochhei¬ liger Herr! daß er in kurzen Worten ſein verbrecheriſches Leben, aber auch das, was er in der tiefſten Reue und Zerknirſchung begonnen, Euch enthuͤlle!“ — So fing ich an, und erzaͤhlte nun, ohne Namen zu nen¬ nen und ſo gedraͤngt als moͤglich, meinen ganzen Lebenslauf. Aufmerkſamer und auf¬ merkſamer wurde der Pabſt. Er ſetzte ſich in den Lehnſtuhl, und ſtuͤtzte den Kopf in die Hand; er ſah zur Erde nieder, dann fuhr er ploͤtzlich in die Hoͤhe; die Haͤnde uͤber einander geſchlagen und mit dem rechten Fuß ausſchreitend, als wolle er auf mich zutre¬ ten, ſtarrte er mich an mit gluͤhenden Au¬ gen. Als ich geendet, ſetzte er ſich aufs neue. „Eure Geſchichte, Moͤnch Medardus! fing er an: iſt die verwunderlichſte die ich je¬
mals
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0264"n="256"/>
Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von<lb/>
mir iſt der Gedanke ſchnoͤder Heuchelei, fern<lb/>
von mir jede ehrgeizige Abſicht, das Volk<lb/>
zu taͤuſchen auf verruchte Weiſe. — Ver¬<lb/>
goͤnnt es dem buͤßenden Moͤnche, o hochhei¬<lb/>
liger Herr! daß er in kurzen Worten ſein<lb/>
verbrecheriſches Leben, aber auch das, was<lb/>
er in der tiefſten Reue und Zerknirſchung<lb/>
begonnen, Euch enthuͤlle!“— So fing ich an,<lb/>
und erzaͤhlte nun, ohne Namen zu nen¬<lb/>
nen und ſo gedraͤngt als moͤglich, meinen<lb/>
ganzen Lebenslauf. Aufmerkſamer und auf¬<lb/>
merkſamer wurde der Pabſt. Er ſetzte ſich<lb/>
in den Lehnſtuhl, und ſtuͤtzte den Kopf in<lb/>
die Hand; er ſah zur Erde nieder, dann fuhr<lb/>
er ploͤtzlich in die Hoͤhe; die Haͤnde uͤber<lb/>
einander geſchlagen und mit dem rechten Fuß<lb/>
ausſchreitend, als wolle er auf mich zutre¬<lb/>
ten, ſtarrte er mich an mit gluͤhenden Au¬<lb/>
gen. Als ich geendet, ſetzte er ſich aufs neue.<lb/>„Eure Geſchichte, Moͤnch Medardus! fing<lb/>
er an: iſt die verwunderlichſte die ich je¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mals<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[256/0264]
Wahrheit meiner Reue erkennen. Fern von
mir iſt der Gedanke ſchnoͤder Heuchelei, fern
von mir jede ehrgeizige Abſicht, das Volk
zu taͤuſchen auf verruchte Weiſe. — Ver¬
goͤnnt es dem buͤßenden Moͤnche, o hochhei¬
liger Herr! daß er in kurzen Worten ſein
verbrecheriſches Leben, aber auch das, was
er in der tiefſten Reue und Zerknirſchung
begonnen, Euch enthuͤlle!“ — So fing ich an,
und erzaͤhlte nun, ohne Namen zu nen¬
nen und ſo gedraͤngt als moͤglich, meinen
ganzen Lebenslauf. Aufmerkſamer und auf¬
merkſamer wurde der Pabſt. Er ſetzte ſich
in den Lehnſtuhl, und ſtuͤtzte den Kopf in
die Hand; er ſah zur Erde nieder, dann fuhr
er ploͤtzlich in die Hoͤhe; die Haͤnde uͤber
einander geſchlagen und mit dem rechten Fuß
ausſchreitend, als wolle er auf mich zutre¬
ten, ſtarrte er mich an mit gluͤhenden Au¬
gen. Als ich geendet, ſetzte er ſich aufs neue.
„Eure Geſchichte, Moͤnch Medardus! fing
er an: iſt die verwunderlichſte die ich je¬
mals
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/264>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.