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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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ich lebhaft jenes Augenblicks meiner Kinder¬
jahre, meine Mutter stand wieder vor mir,
ich vergoß heiße Thränen, aber nicht weg¬
wenden konnte ich den Blick von dem frem¬
den herrlichen Mann, der mich mit leben¬
dig strahlenden Augen anschaute. Man hatte
wahrscheinlich meinem Vater gleich gemeldet
was sich zugetragen, er trat herein, als ich
noch vor dem Bilde stand. Nur einen Blick
hatte er darauf geworfen, als er, von Entse¬
tzen ergriffen, stehen blieb und dumpf in
sich hineinmurmelte: Francesko, Francesko!
Darauf wandte er sich rasch zu den Arbei¬
tern, und befahl mit starker Stimme: "Man
breche sogleich das Bild aus der Wand, rol¬
le es auf und übergebe es Reinhold." Es
war mir, als solle ich den schönen herrli¬
chen Mann, der in seinem wunderbaren Ge¬
wande mir, wie ein hoher Geisterfürst vor¬
kam, niemals wiedersehen, und doch hielt
mich eine unüberwindliche Scheu zurück,
den Vater zu bitten, das Bild ja nicht ver¬

ich lebhaft jenes Augenblicks meiner Kinder¬
jahre, meine Mutter ſtand wieder vor mir,
ich vergoß heiße Thraͤnen, aber nicht weg¬
wenden konnte ich den Blick von dem frem¬
den herrlichen Mann, der mich mit leben¬
dig ſtrahlenden Augen anſchaute. Man hatte
wahrſcheinlich meinem Vater gleich gemeldet
was ſich zugetragen, er trat herein, als ich
noch vor dem Bilde ſtand. Nur einen Blick
hatte er darauf geworfen, als er, von Entſe¬
tzen ergriffen, ſtehen blieb und dumpf in
ſich hineinmurmelte: Francesko, Francesko!
Darauf wandte er ſich raſch zu den Arbei¬
tern, und befahl mit ſtarker Stimme: „Man
breche ſogleich das Bild aus der Wand, rol¬
le es auf und uͤbergebe es Reinhold.“ Es
war mir, als ſolle ich den ſchoͤnen herrli¬
chen Mann, der in ſeinem wunderbaren Ge¬
wande mir, wie ein hoher Geiſterfuͤrſt vor¬
kam, niemals wiederſehen, und doch hielt
mich eine unuͤberwindliche Scheu zuruͤck,
den Vater zu bitten, das Bild ja nicht ver¬

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[122/0130] ich lebhaft jenes Augenblicks meiner Kinder¬ jahre, meine Mutter ſtand wieder vor mir, ich vergoß heiße Thraͤnen, aber nicht weg¬ wenden konnte ich den Blick von dem frem¬ den herrlichen Mann, der mich mit leben¬ dig ſtrahlenden Augen anſchaute. Man hatte wahrſcheinlich meinem Vater gleich gemeldet was ſich zugetragen, er trat herein, als ich noch vor dem Bilde ſtand. Nur einen Blick hatte er darauf geworfen, als er, von Entſe¬ tzen ergriffen, ſtehen blieb und dumpf in ſich hineinmurmelte: Francesko, Francesko! Darauf wandte er ſich raſch zu den Arbei¬ tern, und befahl mit ſtarker Stimme: „Man breche ſogleich das Bild aus der Wand, rol¬ le es auf und uͤbergebe es Reinhold.“ Es war mir, als ſolle ich den ſchoͤnen herrli¬ chen Mann, der in ſeinem wunderbaren Ge¬ wande mir, wie ein hoher Geiſterfuͤrſt vor¬ kam, niemals wiederſehen, und doch hielt mich eine unuͤberwindliche Scheu zuruͤck, den Vater zu bitten, das Bild ja nicht ver¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/130>, abgerufen am 05.12.2024.