mit dem fremden Mahler zu haben, ich trank im Nebenzimmer ein Gläschen, als der Lärm anging, und beschloß, da mir die Gelegen¬ heit des Hauses bekannt, Sie zu retten, denn nur ich allein bin an der ganzen Fatalität Schuld." Wie ist das möglich? frug ich voll Erstaunen. -- "Wer gebietet dem Moment, wer widerstrebt den Hingebungen des höhern Geistes! fuhr der Kleine voll Pathos fort: Als ich Ihr Haupthaar arrangirte, Verehrter, ent¬ zündeten sich in mir comme a l'ordinaire die sublimsten Ideen, ich überließ mich dem wil¬ den Ausbruch ungeregelter Fantasie, und darü¬ ber vergaß ich nicht allein, die Locke des Zorns auf dem Hauptwirbel gehörig zur weichen Runde abzuglätten, sondern ließ auch sogar sieben und zwanzig Haare der Angst und des Entsetzens über der Stirne stehen, diese rich¬ teten sich auf bei den starren Blicken des Malers, der eigentlich ein Revenant ist, und neigten sich ächzend gegen die Locke des Zorns, die zischend und knisternd auseinander fuhr.
mit dem fremden Mahler zu haben, ich trank im Nebenzimmer ein Glaͤschen, als der Laͤrm anging, und beſchloß, da mir die Gelegen¬ heit des Hauſes bekannt, Sie zu retten, denn nur ich allein bin an der ganzen Fatalitaͤt Schuld.“ Wie iſt das moͤglich? frug ich voll Erſtaunen. — „Wer gebietet dem Moment, wer widerſtrebt den Hingebungen des hoͤhern Geiſtes! fuhr der Kleine voll Pathos fort: Als ich Ihr Haupthaar arrangirte, Verehrter, ent¬ zuͤndeten ſich in mir comme à l'ordinaire die ſublimſten Ideen, ich uͤberließ mich dem wil¬ den Ausbruch ungeregelter Fantaſie, und daruͤ¬ ber vergaß ich nicht allein, die Locke des Zorns auf dem Hauptwirbel gehoͤrig zur weichen Runde abzuglaͤtten, ſondern ließ auch ſogar ſieben und zwanzig Haare der Angſt und des Entſetzens uͤber der Stirne ſtehen, dieſe rich¬ teten ſich auf bei den ſtarren Blicken des Malers, der eigentlich ein Revenant iſt, und neigten ſich aͤchzend gegen die Locke des Zorns, die ziſchend und kniſternd auseinander fuhr.
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mit dem fremden Mahler zu haben, ich trank
im Nebenzimmer ein Glaͤschen, als der Laͤrm
anging, und beſchloß, da mir die Gelegen¬
heit des Hauſes bekannt, Sie zu retten, denn
nur ich allein bin an der ganzen Fatalitaͤt
Schuld.“ Wie iſt das moͤglich? frug ich voll
Erſtaunen. — „Wer gebietet dem Moment,
wer widerſtrebt den Hingebungen des hoͤhern
Geiſtes! fuhr der Kleine voll Pathos fort: Als
ich Ihr Haupthaar arrangirte, Verehrter, ent¬
zuͤndeten ſich in mir comme à l'ordinaire die
ſublimſten Ideen, ich uͤberließ mich dem wil¬
den Ausbruch ungeregelter Fantaſie, und daruͤ¬
ber vergaß ich nicht allein, die Locke des Zorns
auf dem Hauptwirbel gehoͤrig zur weichen
Runde abzuglaͤtten, ſondern ließ auch ſogar
ſieben und zwanzig Haare der Angſt und des
Entſetzens uͤber der Stirne ſtehen, dieſe rich¬
teten ſich auf bei den ſtarren Blicken des
Malers, der eigentlich ein Revenant iſt, und
neigten ſich aͤchzend gegen die Locke des Zorns,
die ziſchend und kniſternd auseinander fuhr.
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/253>, abgerufen am 23.11.2024.
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