gem grauen Barte, der mich oft auf den Armen umhertrug, im Walde allerley bunte Moose und Steine suchte, und mit mir spielte; unerachtet ich gewiß glaube, daß nur aus der Beschreibung meiner Mutter sich im In¬ nern sein lebhaftes Bild erzeugt hat. Er brachte einmal einen fremden wunderschö¬ nen Knaben mit, der mit mir von gleichem Alter war Uns herzend und küßend saßen wir im Grase, ich schenkte ihm alle meine bunten Steine und er wußte damit allerlei Figuren auf dem Erdboden zu ordnen, aber immer bildete sich daraus zuletzt die Gestalt des Kreuzes. Meine Mutter saß neben uns auf einer steinernen Bank, und der Alte schau¬ te hinter ihr stehend, mit mildem Ernst unsern kindischen Spielen zu. Da traten einige Jünglinge aus dem Gebüsch, die, nach ihrer Kleidung und nach ihrem ganzen Wesen zu urtheilen, wohl nur aus Neugierde und Schaulust nach der heiligen Linde gekommen waren. Einer von ihnen rief, indem er uns
gem grauen Barte, der mich oft auf den Armen umhertrug, im Walde allerley bunte Mooſe und Steine ſuchte, und mit mir ſpielte; unerachtet ich gewiß glaube, daß nur aus der Beſchreibung meiner Mutter ſich im In¬ nern ſein lebhaftes Bild erzeugt hat. Er brachte einmal einen fremden wunderſchoͤ¬ nen Knaben mit, der mit mir von gleichem Alter war Uns herzend und kuͤßend ſaßen wir im Graſe, ich ſchenkte ihm alle meine bunten Steine und er wußte damit allerlei Figuren auf dem Erdboden zu ordnen, aber immer bildete ſich daraus zuletzt die Geſtalt des Kreuzes. Meine Mutter ſaß neben uns auf einer ſteinernen Bank, und der Alte ſchau¬ te hinter ihr ſtehend, mit mildem Ernſt unſern kindiſchen Spielen zu. Da traten einige Juͤnglinge aus dem Gebuͤſch, die, nach ihrer Kleidung und nach ihrem ganzen Weſen zu urtheilen, wohl nur aus Neugierde und Schauluſt nach der heiligen Linde gekommen waren. Einer von ihnen rief, indem er uns
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gem grauen Barte, der mich oft auf den
Armen umhertrug, im Walde allerley bunte
Mooſe und Steine ſuchte, und mit mir ſpielte;
unerachtet ich gewiß glaube, daß nur aus
der Beſchreibung meiner Mutter ſich im In¬
nern ſein lebhaftes Bild erzeugt hat. Er
brachte einmal einen fremden wunderſchoͤ¬
nen Knaben mit, der mit mir von gleichem
Alter war Uns herzend und kuͤßend ſaßen
wir im Graſe, ich ſchenkte ihm alle meine
bunten Steine und er wußte damit allerlei
Figuren auf dem Erdboden zu ordnen, aber
immer bildete ſich daraus zuletzt die Geſtalt
des Kreuzes. Meine Mutter ſaß neben uns
auf einer ſteinernen Bank, und der Alte ſchau¬
te hinter ihr ſtehend, mit mildem Ernſt unſern
kindiſchen Spielen zu. Da traten einige
Juͤnglinge aus dem Gebuͤſch, die, nach ihrer
Kleidung und nach ihrem ganzen Weſen zu
urtheilen, wohl nur aus Neugierde und
Schauluſt nach der heiligen Linde gekommen
waren. Einer von ihnen rief, indem er uns
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/23>, abgerufen am 23.11.2024.
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