Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.Leben gerufen? war ich nicht dein? wie konnt' ich denn - o du weist es, wie ich hoffe, noch nicht, hast noch den Unglüksbrief nicht in den Händen, den ich vor der lezten Schlacht dir schrieb? Da wollt' ich sterben, Diotima, und ich glaubt', ein heilig Werk zu thun. Aber wie kann das heilig seyn, was Liebende trennt? wie kann das heilig seyn, was unsers Lebens frommes Glük zerrüttet? - Diotima! schöngebornes Leben! ich bin dir jezt dafür in deinem Eigensten um so ähnlicher geworden, ich hab' es endlich achten gelernt, ich hab' es bewahren gelernt, was gut und innig ist auf Erden. O wenn ich auch dort oben landen könnte an den glänzenden Inseln des Himmels, fänd' ich mehr, als ich bei Diotima finde? Höre mich nun, Geliebte! In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr. Das weist du. Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Überflusse geschikt, als hinreicht, in ein heilig Thal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten, und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kauffen, als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf. Willst du, so komm' ich gleich und führ' an treuem Arme dich und deine Mutter und Leben gerufen? war ich nicht dein? wie konnt’ ich denn – o du weist es, wie ich hoffe, noch nicht, hast noch den Unglüksbrief nicht in den Händen, den ich vor der lezten Schlacht dir schrieb? Da wollt’ ich sterben, Diotima, und ich glaubt’, ein heilig Werk zu thun. Aber wie kann das heilig seyn, was Liebende trennt? wie kann das heilig seyn, was unsers Lebens frommes Glük zerrüttet? – Diotima! schöngebornes Leben! ich bin dir jezt dafür in deinem Eigensten um so ähnlicher geworden, ich hab’ es endlich achten gelernt, ich hab’ es bewahren gelernt, was gut und innig ist auf Erden. O wenn ich auch dort oben landen könnte an den glänzenden Inseln des Himmels, fänd’ ich mehr, als ich bei Diotima finde? Höre mich nun, Geliebte! In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr. Das weist du. Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Überflusse geschikt, als hinreicht, in ein heilig Thal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten, und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kauffen, als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf. Willst du, so komm’ ich gleich und führ’ an treuem Arme dich und deine Mutter und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0075"/> Leben gerufen? war ich nicht dein? wie konnt’ ich denn – o du weist es, wie ich hoffe, noch nicht, hast noch den Unglüksbrief nicht in den Händen, den ich vor der lezten Schlacht dir schrieb? Da wollt’ ich sterben, Diotima, und ich glaubt’, ein heilig Werk zu thun. Aber wie kann das heilig seyn, was Liebende trennt? wie kann das heilig seyn, was unsers Lebens frommes Glük zerrüttet? – Diotima! schöngebornes Leben! ich bin dir jezt dafür in deinem Eigensten um so ähnlicher geworden, ich hab’ es endlich achten gelernt, ich hab’ es bewahren gelernt, was gut und innig ist auf Erden. O wenn ich auch dort oben landen könnte an den glänzenden Inseln des Himmels, fänd’ ich mehr, als ich bei Diotima finde?</p><lb/> <p>Höre mich nun, Geliebte!</p><lb/> <p>In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr. Das weist du. Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Überflusse geschikt, als hinreicht, in ein heilig Thal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten, und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kauffen, als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf.</p><lb/> <p>Willst du, so komm’ ich gleich und führ’ an treuem Arme dich und deine Mutter und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
Leben gerufen? war ich nicht dein? wie konnt’ ich denn – o du weist es, wie ich hoffe, noch nicht, hast noch den Unglüksbrief nicht in den Händen, den ich vor der lezten Schlacht dir schrieb? Da wollt’ ich sterben, Diotima, und ich glaubt’, ein heilig Werk zu thun. Aber wie kann das heilig seyn, was Liebende trennt? wie kann das heilig seyn, was unsers Lebens frommes Glük zerrüttet? – Diotima! schöngebornes Leben! ich bin dir jezt dafür in deinem Eigensten um so ähnlicher geworden, ich hab’ es endlich achten gelernt, ich hab’ es bewahren gelernt, was gut und innig ist auf Erden. O wenn ich auch dort oben landen könnte an den glänzenden Inseln des Himmels, fänd’ ich mehr, als ich bei Diotima finde?
Höre mich nun, Geliebte!
In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr. Das weist du. Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Überflusse geschikt, als hinreicht, in ein heilig Thal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten, und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kauffen, als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf.
Willst du, so komm’ ich gleich und führ’ an treuem Arme dich und deine Mutter und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/75 |
Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/75>, abgerufen am 16.02.2025. |