Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.Wesen. Unaussprechlich zog die zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt' ich um deine gefährliche Flamme. - Die schönen Freuden unserer Liebe sänftigten dich; böser Mann! nur, um dich wilder zu machen. Sie besänftigten, sie trösteten auch mich, sie machten mich vergessen, daß du im Grunde trostlos warst, und daß auch ich nicht fern war, es zu werden, seit ich dir in dein geliebtes Herz sah. In Athen, bei den Trümmern des Olympion ergriff es mich von neuem. Ich hatte sonst wohl noch in einer leichten Stunde gedacht, des Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht. Es ist so selten, daß ein Mensch mit dem ersten Schritt ins Leben so mit Einmal, so im kleinsten Punct, so schnell, so tief das ganze Schiksaal seiner Zeit empfand, und daß es unaustilgbar in ihm haftet, diß Gefühl, weil er nicht rauh genug ist, um es auszustoßen, und nicht schwach genug, es auszuweinen, das, mein Theurer! ist so selten, daß es uns fast unnatürlich dünkt. Nun, im Schutt des heiteren Athens, nun gieng mirs selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, daß jezt die Todten oben über der Wesen. Unaussprechlich zog die zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt’ ich um deine gefährliche Flamme. – Die schönen Freuden unserer Liebe sänftigten dich; böser Mann! nur, um dich wilder zu machen. Sie besänftigten, sie trösteten auch mich, sie machten mich vergessen, daß du im Grunde trostlos warst, und daß auch ich nicht fern war, es zu werden, seit ich dir in dein geliebtes Herz sah. In Athen, bei den Trümmern des Olympion ergriff es mich von neuem. Ich hatte sonst wohl noch in einer leichten Stunde gedacht, des Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht. Es ist so selten, daß ein Mensch mit dem ersten Schritt ins Leben so mit Einmal, so im kleinsten Punct, so schnell, so tief das ganze Schiksaal seiner Zeit empfand, und daß es unaustilgbar in ihm haftet, diß Gefühl, weil er nicht rauh genug ist, um es auszustoßen, und nicht schwach genug, es auszuweinen, das, mein Theurer! ist so selten, daß es uns fast unnatürlich dünkt. Nun, im Schutt des heiteren Athens, nun gieng mirs selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, daß jezt die Todten oben über der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0069"/> Wesen. Unaussprechlich zog die zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt’ ich um deine gefährliche Flamme. – Die schönen Freuden unserer Liebe sänftigten dich; böser Mann! nur, um dich wilder zu machen. Sie besänftigten, sie trösteten auch mich, sie machten mich vergessen, daß du im Grunde trostlos warst, und daß auch ich nicht fern war, es zu werden, seit ich dir in dein geliebtes Herz sah.</p><lb/> <p>In Athen, bei den Trümmern des Olympion ergriff es mich von neuem. Ich hatte sonst wohl noch in einer leichten Stunde gedacht, des Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht. Es ist so selten, daß ein Mensch mit dem ersten Schritt ins Leben so mit Einmal, so im kleinsten Punct, so schnell, so tief das ganze Schiksaal seiner Zeit empfand, und daß es unaustilgbar in ihm haftet, diß Gefühl, weil er nicht rauh genug ist, um es auszustoßen, und nicht schwach genug, es auszuweinen, das, mein Theurer! ist so selten, daß es uns fast unnatürlich dünkt.</p><lb/> <p>Nun, im Schutt des heiteren Athens, nun gieng mirs selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, daß jezt die Todten oben über der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Wesen. Unaussprechlich zog die zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt’ ich um deine gefährliche Flamme. – Die schönen Freuden unserer Liebe sänftigten dich; böser Mann! nur, um dich wilder zu machen. Sie besänftigten, sie trösteten auch mich, sie machten mich vergessen, daß du im Grunde trostlos warst, und daß auch ich nicht fern war, es zu werden, seit ich dir in dein geliebtes Herz sah.
In Athen, bei den Trümmern des Olympion ergriff es mich von neuem. Ich hatte sonst wohl noch in einer leichten Stunde gedacht, des Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht. Es ist so selten, daß ein Mensch mit dem ersten Schritt ins Leben so mit Einmal, so im kleinsten Punct, so schnell, so tief das ganze Schiksaal seiner Zeit empfand, und daß es unaustilgbar in ihm haftet, diß Gefühl, weil er nicht rauh genug ist, um es auszustoßen, und nicht schwach genug, es auszuweinen, das, mein Theurer! ist so selten, daß es uns fast unnatürlich dünkt.
Nun, im Schutt des heiteren Athens, nun gieng mirs selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, daß jezt die Todten oben über der
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/69>, abgerufen am 16.02.2025. |