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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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fliehn. Aber er weiß nicht, daß ein Herz, das so verzweifeln lernte, wie seines und wie meines, der Geliebten nichts mehr ist. Nein! nein! du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion, du müßtest untreu werden und das will ich dir ersparen.

Und so lebe denn wohl, du süßes Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da rauschen die Quellen des Lebens. Ich möcht' ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt' ich diß, so wär' ich auch ein andrer und so müßt' ich auch nicht Abschied nehmen - Abschied nehmen? Ach! ich weiß nicht, was ich thue. Ich wähnte mich so gefaßt, so besonnen. Jezt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher, wie ein ungeduldiger Kranker. Weh über mich! ich richte meine lezte Freude zu Grunde. Aber es muß seyn und das Ach! der Natur ist hier umsonst. Ich bin's dir schuldig, und ich bin ja ohnediß dazu geboren, heimathlos und ohne Ruhestätte zu seyn. O Erde! o ihr Sterne! werde ich nirgends wohnen am Ende?

Noch Einmal möcht' ich wiederkehren an deinen Busen, wo es auch wäre! Aetheraugen!

fliehn. Aber er weiß nicht, daß ein Herz, das so verzweifeln lernte, wie seines und wie meines, der Geliebten nichts mehr ist. Nein! nein! du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion, du müßtest untreu werden und das will ich dir ersparen.

Und so lebe denn wohl, du süßes Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da rauschen die Quellen des Lebens. Ich möcht’ ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt’ ich diß, so wär’ ich auch ein andrer und so müßt’ ich auch nicht Abschied nehmen – Abschied nehmen? Ach! ich weiß nicht, was ich thue. Ich wähnte mich so gefaßt, so besonnen. Jezt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher, wie ein ungeduldiger Kranker. Weh über mich! ich richte meine lezte Freude zu Grunde. Aber es muß seyn und das Ach! der Natur ist hier umsonst. Ich bin’s dir schuldig, und ich bin ja ohnediß dazu geboren, heimathlos und ohne Ruhestätte zu seyn. O Erde! o ihr Sterne! werde ich nirgends wohnen am Ende?

Noch Einmal möcht’ ich wiederkehren an deinen Busen, wo es auch wäre! Aetheraugen!

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[0051] fliehn. Aber er weiß nicht, daß ein Herz, das so verzweifeln lernte, wie seines und wie meines, der Geliebten nichts mehr ist. Nein! nein! du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion, du müßtest untreu werden und das will ich dir ersparen. Und so lebe denn wohl, du süßes Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da rauschen die Quellen des Lebens. Ich möcht’ ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt’ ich diß, so wär’ ich auch ein andrer und so müßt’ ich auch nicht Abschied nehmen – Abschied nehmen? Ach! ich weiß nicht, was ich thue. Ich wähnte mich so gefaßt, so besonnen. Jezt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher, wie ein ungeduldiger Kranker. Weh über mich! ich richte meine lezte Freude zu Grunde. Aber es muß seyn und das Ach! der Natur ist hier umsonst. Ich bin’s dir schuldig, und ich bin ja ohnediß dazu geboren, heimathlos und ohne Ruhestätte zu seyn. O Erde! o ihr Sterne! werde ich nirgends wohnen am Ende? Noch Einmal möcht’ ich wiederkehren an deinen Busen, wo es auch wäre! Aetheraugen!

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/51>, abgerufen am 27.04.2024.