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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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stern, jener Zauberabend, da der heil'ge Fremdling mir zum erstenmale begegnete, da er, wie ein trauernder Genius, hereinglänzt' in die Schatten des Walds, wo im Jugendtraume das unbekümmerte Mädchen saß - in der Mailuft kam er, in Joniens zaubrischer Mailuft und sie macht' ihn blühender mir, sie lokt' ihm das Haar, entfaltet' ihm, wie Blumen, die Lippen, löst' in Lächeln die Wehmuth auf und o ihr Stralen des Himmels! wie leuchtetet ihr aus diesen Augen mich an, aus diesen berauschenden Quellen, wo im Schatten umschirmender Bogen ewig Leben schimmert und wallt! -

Gute Götter! wie er schön ward mit dem Blik' auf mich! wie der ganze Jüngling, eine Spanne größer geworden, in leichter Nerve dastand, nur daß ihm die lieben Arme die bescheidnen niedersanken, als wären sie nichts! und wie er drauf emporsah im Entzüken, als wär' ich gen Himmel entflogen und nicht mehr da, ach! wie er nun in aller Herzensanmuth lächelt' und erröthete, da er wieder mich gewahr ward und unter den dämmernden Thränen sein Phöbusauge durchstralt', um zu fragen, bist dus? bist du es wirklich?

Und warum begegnet' er so frommen Sinnes, so voll lieben Aberglaubens mir? warum

II. Bd. C

stern, jener Zauberabend, da der heil’ge Fremdling mir zum erstenmale begegnete, da er, wie ein trauernder Genius, hereinglänzt’ in die Schatten des Walds, wo im Jugendtraume das unbekümmerte Mädchen saß – in der Mailuft kam er, in Joniens zaubrischer Mailuft und sie macht’ ihn blühender mir, sie lokt’ ihm das Haar, entfaltet’ ihm, wie Blumen, die Lippen, löst’ in Lächeln die Wehmuth auf und o ihr Stralen des Himmels! wie leuchtetet ihr aus diesen Augen mich an, aus diesen berauschenden Quellen, wo im Schatten umschirmender Bogen ewig Leben schimmert und wallt! –

Gute Götter! wie er schön ward mit dem Blik’ auf mich! wie der ganze Jüngling, eine Spanne größer geworden, in leichter Nerve dastand, nur daß ihm die lieben Arme die bescheidnen niedersanken, als wären sie nichts! und wie er drauf emporsah im Entzüken, als wär’ ich gen Himmel entflogen und nicht mehr da, ach! wie er nun in aller Herzensanmuth lächelt’ und erröthete, da er wieder mich gewahr ward und unter den dämmernden Thränen sein Phöbusauge durchstralt’, um zu fragen, bist dus? bist du es wirklich?

Und warum begegnet’ er so frommen Sinnes, so voll lieben Aberglaubens mir? warum

II. Bd. C
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[0033] stern, jener Zauberabend, da der heil’ge Fremdling mir zum erstenmale begegnete, da er, wie ein trauernder Genius, hereinglänzt’ in die Schatten des Walds, wo im Jugendtraume das unbekümmerte Mädchen saß – in der Mailuft kam er, in Joniens zaubrischer Mailuft und sie macht’ ihn blühender mir, sie lokt’ ihm das Haar, entfaltet’ ihm, wie Blumen, die Lippen, löst’ in Lächeln die Wehmuth auf und o ihr Stralen des Himmels! wie leuchtetet ihr aus diesen Augen mich an, aus diesen berauschenden Quellen, wo im Schatten umschirmender Bogen ewig Leben schimmert und wallt! – Gute Götter! wie er schön ward mit dem Blik’ auf mich! wie der ganze Jüngling, eine Spanne größer geworden, in leichter Nerve dastand, nur daß ihm die lieben Arme die bescheidnen niedersanken, als wären sie nichts! und wie er drauf emporsah im Entzüken, als wär’ ich gen Himmel entflogen und nicht mehr da, ach! wie er nun in aller Herzensanmuth lächelt’ und erröthete, da er wieder mich gewahr ward und unter den dämmernden Thränen sein Phöbusauge durchstralt’, um zu fragen, bist dus? bist du es wirklich? Und warum begegnet’ er so frommen Sinnes, so voll lieben Aberglaubens mir? warum II. Bd. C

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/33>, abgerufen am 19.04.2024.