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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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Hyperion an Bellarmin.

Mir ist lange nicht gewesen, wie jezt.

Wie Jupiters Adler dem Gesange der Musen, lausch' ich dem wunderbaren unendlichen Wohllaut in mir. Unangefochten an Sinn' und Seele, stark und fröhlich, mit lächelndem Ernste, spiel' ich im Geiste mit dem Schiksaal und den drei Schwestern, den heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlokt mein ganzes Wesen über sich selbst, über Alles. Wie der Sternenhimmel, bin ich still und bewegt.

Ich habe lange gewartet auf solche Festzeit, um Dir einmal wieder zu schreiben. Nun bin ich stark genug; nun lass mich dir erzählen.

Mitten in meinen finstern Tagen lud ein Bekannter von Kalaurea herüber mich ein. Ich sollt' in seine Gebirge kommen, schrieb er mir; man lebe hier freier als sonstwo, und auch da blüheten, mitten unter den Fichtenwäldern und reissenden Wassern, Limonienhaine und Palmen und liebliche Kräuter und Myrrthen und die heilige Rebe. Einen Garten hab' er hoch am Gebirge gebaut und ein Haus; dem beschatteten dichte Bäume den Rüken, und külende Lüfte umspielten es leise in den brennenden Som-

Hyperion an Bellarmin.

Mir ist lange nicht gewesen, wie jezt.

Wie Jupiters Adler dem Gesange der Musen, lausch’ ich dem wunderbaren unendlichen Wohllaut in mir. Unangefochten an Sinn’ und Seele, stark und fröhlich, mit lächelndem Ernste, spiel’ ich im Geiste mit dem Schiksaal und den drei Schwestern, den heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlokt mein ganzes Wesen über sich selbst, über Alles. Wie der Sternenhimmel, bin ich still und bewegt.

Ich habe lange gewartet auf solche Festzeit, um Dir einmal wieder zu schreiben. Nun bin ich stark genug; nun lass mich dir erzählen.

Mitten in meinen finstern Tagen lud ein Bekannter von Kalaurea herüber mich ein. Ich sollt’ in seine Gebirge kommen, schrieb er mir; man lebe hier freier als sonstwo, und auch da blüheten, mitten unter den Fichtenwäldern und reissenden Wassern, Limonienhaine und Palmen und liebliche Kräuter und Myrrthen und die heilige Rebe. Einen Garten hab’ er hoch am Gebirge gebaut und ein Haus; dem beschatteten dichte Bäume den Rüken, und külende Lüfte umspielten es leise in den brennenden Som-

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[0091] Hyperion an Bellarmin. Mir ist lange nicht gewesen, wie jezt. Wie Jupiters Adler dem Gesange der Musen, lausch’ ich dem wunderbaren unendlichen Wohllaut in mir. Unangefochten an Sinn’ und Seele, stark und fröhlich, mit lächelndem Ernste, spiel’ ich im Geiste mit dem Schiksaal und den drei Schwestern, den heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlokt mein ganzes Wesen über sich selbst, über Alles. Wie der Sternenhimmel, bin ich still und bewegt. Ich habe lange gewartet auf solche Festzeit, um Dir einmal wieder zu schreiben. Nun bin ich stark genug; nun lass mich dir erzählen. Mitten in meinen finstern Tagen lud ein Bekannter von Kalaurea herüber mich ein. Ich sollt’ in seine Gebirge kommen, schrieb er mir; man lebe hier freier als sonstwo, und auch da blüheten, mitten unter den Fichtenwäldern und reissenden Wassern, Limonienhaine und Palmen und liebliche Kräuter und Myrrthen und die heilige Rebe. Einen Garten hab’ er hoch am Gebirge gebaut und ein Haus; dem beschatteten dichte Bäume den Rüken, und külende Lüfte umspielten es leise in den brennenden Som-

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/91>, abgerufen am 23.11.2024.