Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend Wesen. O seelige Natur! Ich weiss nicht, wie mir geschiehet, wenn ich mein Auge erhebe vor deiner Schöne, aber alle Lust des Himmels ist in den Thränen, die ich weine vor dir, der Geliebte vor der Geliebten. Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn die zarte Welle der Luft mir um die Brust spielt. Verloren in's weite Blau, blik' ich oft hinauf an den Aether und hinein in's heilige Meer, und mir ist, als öffnet' ein verwandter Geist mir die Arme, als löste der Schmerz der Einsamkeit sich auf in's Leben der Gottheit. Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen. Eines zu seyn mit Allem, was lebt, in seeliger Selbstvergessenheit wiederzukehren in's All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Wooge des Kornfelds gleicht. ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend Wesen. O seelige Natur! Ich weiss nicht, wie mir geschiehet, wenn ich mein Auge erhebe vor deiner Schöne, aber alle Lust des Himmels ist in den Thränen, die ich weine vor dir, der Geliebte vor der Geliebten. Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn die zarte Welle der Luft mir um die Brust spielt. Verloren in’s weite Blau, blik’ ich oft hinauf an den Aether und hinein in’s heilige Meer, und mir ist, als öffnet’ ein verwandter Geist mir die Arme, als löste der Schmerz der Einsamkeit sich auf in’s Leben der Gottheit. Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen. Eines zu seyn mit Allem, was lebt, in seeliger Selbstvergessenheit wiederzukehren in’s All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Wooge des Kornfelds gleicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0016"/> ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend Wesen.</p><lb/> <p>O seelige Natur! Ich weiss nicht, wie mir geschiehet, wenn ich mein Auge erhebe vor deiner Schöne, aber alle Lust des Himmels ist in den Thränen, die ich weine vor dir, der Geliebte vor der Geliebten.</p><lb/> <p>Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn die zarte Welle der Luft mir um die Brust spielt. Verloren in’s weite Blau, blik’ ich oft hinauf an den Aether und hinein in’s heilige Meer, und mir ist, als öffnet’ ein verwandter Geist mir die Arme, als löste der Schmerz der Einsamkeit sich auf in’s Leben der Gottheit.</p><lb/> <p>Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.</p><lb/> <p>Eines zu seyn mit Allem, was lebt, in seeliger Selbstvergessenheit wiederzukehren in’s All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Wooge des Kornfelds gleicht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend Wesen.
O seelige Natur! Ich weiss nicht, wie mir geschiehet, wenn ich mein Auge erhebe vor deiner Schöne, aber alle Lust des Himmels ist in den Thränen, die ich weine vor dir, der Geliebte vor der Geliebten.
Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn die zarte Welle der Luft mir um die Brust spielt. Verloren in’s weite Blau, blik’ ich oft hinauf an den Aether und hinein in’s heilige Meer, und mir ist, als öffnet’ ein verwandter Geist mir die Arme, als löste der Schmerz der Einsamkeit sich auf in’s Leben der Gottheit.
Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.
Eines zu seyn mit Allem, was lebt, in seeliger Selbstvergessenheit wiederzukehren in’s All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Wooge des Kornfelds gleicht.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/16>, abgerufen am 16.07.2024. |