Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Ach! es hätt' in jenen bessern Tagen Nicht umsonst so brüderlich und groß Für ein Volk dein liebend Herz geschlagen, Dem so gern des Dankes Zähre floß! -- Harre nur! sie kömmt gewiß die Stunde, Die das Göttliche vom Staube trennt! Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde, Edler Geist! umsonst dein Element. Attika, die Riesin ist gefallen; Wo die alten Göttersöhne ruh'n, Im Ruin gestürzter Marmorhallen Brütet ew'ge Todesstille nun, Lächelnd steigt der süße Frühling nieder, Doch er findet seine Brüder nie In Ilissus heil'gem Thale wieder -- Ewig deckt die bange Wüste sie. Mich verlangt in's bessre Land hinüber, Nach Alcäus und Anakreon, Und ich schlief' im engen Hause lieber Bei den Heiligen in Marathon; Ach! es sey die letzte meiner Thränen, Die dem heil'gen Griechenlande rann, Laßt, o Parzen, laßt die Scheere tönen, Denn mein Herz gehört den Todten an! Ach! es haͤtt' in jenen beſſern Tagen Nicht umſonſt ſo bruͤderlich und groß Fuͤr ein Volk dein liebend Herz geſchlagen, Dem ſo gern des Dankes Zaͤhre floß! — Harre nur! ſie koͤmmt gewiß die Stunde, Die das Goͤttliche vom Staube trennt! Stirb! du ſuchſt auf dieſem Erdenrunde, Edler Geiſt! umſonſt dein Element. Attika, die Rieſin iſt gefallen; Wo die alten Goͤtterſoͤhne ruh'n, Im Ruin geſtuͤrzter Marmorhallen Bruͤtet ew'ge Todesſtille nun, Laͤchelnd ſteigt der ſuͤße Fruͤhling nieder, Doch er findet ſeine Bruͤder nie In Iliſſus heil'gem Thale wieder — Ewig deckt die bange Wuͤſte ſie. Mich verlangt in's beſſre Land hinuͤber, Nach Alcaͤus und Anakreon, Und ich ſchlief' im engen Hauſe lieber Bei den Heiligen in Marathon; Ach! es ſey die letzte meiner Thraͤnen, Die dem heil'gen Griechenlande rann, Laßt, o Parzen, laßt die Scheere toͤnen, Denn mein Herz gehoͤrt den Todten an! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0015" n="7"/> <lg n="6"> <l>Ach! es haͤtt' in jenen beſſern Tagen</l><lb/> <l>Nicht umſonſt ſo bruͤderlich und groß</l><lb/> <l>Fuͤr ein Volk dein liebend Herz geſchlagen,</l><lb/> <l>Dem ſo gern des Dankes Zaͤhre floß! —</l><lb/> <l>Harre nur! ſie koͤmmt gewiß die Stunde,</l><lb/> <l>Die das Goͤttliche vom Staube trennt!</l><lb/> <l>Stirb! du ſuchſt auf dieſem Erdenrunde,</l><lb/> <l>Edler Geiſt! umſonſt dein Element.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Attika, die Rieſin iſt gefallen;</l><lb/> <l>Wo die alten Goͤtterſoͤhne ruh'n,</l><lb/> <l>Im Ruin geſtuͤrzter Marmorhallen</l><lb/> <l>Bruͤtet ew'ge Todesſtille nun,</l><lb/> <l>Laͤchelnd ſteigt der ſuͤße Fruͤhling nieder,</l><lb/> <l>Doch er findet ſeine Bruͤder nie</l><lb/> <l>In Iliſſus heil'gem Thale wieder —</l><lb/> <l>Ewig deckt die bange Wuͤſte ſie.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Mich verlangt in's beſſre Land hinuͤber,</l><lb/> <l>Nach Alcaͤus und Anakreon,</l><lb/> <l>Und ich ſchlief' im engen Hauſe lieber</l><lb/> <l>Bei den Heiligen in Marathon;</l><lb/> <l>Ach! es ſey die letzte meiner Thraͤnen,</l><lb/> <l>Die dem heil'gen Griechenlande rann,</l><lb/> <l>Laßt, o Parzen, laßt die Scheere toͤnen,</l><lb/> <l>Denn mein Herz gehoͤrt den Todten an!</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [7/0015]
Ach! es haͤtt' in jenen beſſern Tagen
Nicht umſonſt ſo bruͤderlich und groß
Fuͤr ein Volk dein liebend Herz geſchlagen,
Dem ſo gern des Dankes Zaͤhre floß! —
Harre nur! ſie koͤmmt gewiß die Stunde,
Die das Goͤttliche vom Staube trennt!
Stirb! du ſuchſt auf dieſem Erdenrunde,
Edler Geiſt! umſonſt dein Element.
Attika, die Rieſin iſt gefallen;
Wo die alten Goͤtterſoͤhne ruh'n,
Im Ruin geſtuͤrzter Marmorhallen
Bruͤtet ew'ge Todesſtille nun,
Laͤchelnd ſteigt der ſuͤße Fruͤhling nieder,
Doch er findet ſeine Bruͤder nie
In Iliſſus heil'gem Thale wieder —
Ewig deckt die bange Wuͤſte ſie.
Mich verlangt in's beſſre Land hinuͤber,
Nach Alcaͤus und Anakreon,
Und ich ſchlief' im engen Hauſe lieber
Bei den Heiligen in Marathon;
Ach! es ſey die letzte meiner Thraͤnen,
Die dem heil'gen Griechenlande rann,
Laßt, o Parzen, laßt die Scheere toͤnen,
Denn mein Herz gehoͤrt den Todten an!
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