Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und um die Guten dämmert oft und glänzt
"Ein Kreis von Licht und Luft, so lang sie leben.

"O Frühling meiner Kinder, blühe nun
"Und altre nicht zu bald, und reife schön!"
So sprach der gute Vater. Vieles wollt'
Er wohl noch sagen, denn die Seele war
Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.
Er gab ihn mir und segnet' uns und gieng
Hinweg.
Ihr Himmelslüfte, die ihr oft
Mich tröstend angeweht, nun athmetet
Ihr heiligend um unser goldnes Glück!
Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,
Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,
Ich Freudige, zu unsrer Mutter auf,
Zur schönen Sonne sah! nun dämmert es
Im Auge nicht, wie sonst im sehnenden,
Nun grüßt' ich helle dich, du stolzes Licht!
Und lächelnd weiltest du, und kamst und schmücktest
Den Lieben mir, und kränztest ihm mit Rosen
Die Schläfe, Freundliches!

„Und um die Guten daͤmmert oft und glaͤnzt
„Ein Kreis von Licht und Luft, ſo lang ſie leben.

„O Fruͤhling meiner Kinder, bluͤhe nun
„Und altre nicht zu bald, und reife ſchoͤn!“
So ſprach der gute Vater. Vieles wollt'
Er wohl noch ſagen, denn die Seele war
Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.
Er gab ihn mir und ſegnet' uns und gieng
Hinweg.
Ihr Himmelsluͤfte, die ihr oft
Mich troͤſtend angeweht, nun athmetet
Ihr heiligend um unſer goldnes Gluͤck!
Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,
Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,
Ich Freudige, zu unſrer Mutter auf,
Zur ſchoͤnen Sonne ſah! nun daͤmmert es
Im Auge nicht, wie ſonſt im ſehnenden,
Nun gruͤßt' ich helle dich, du ſtolzes Licht!
Und laͤchelnd weilteſt du, und kamſt und ſchmuͤckteſt
Den Lieben mir, und kraͤnzteſt ihm mit Roſen
Die Schlaͤfe, Freundliches!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="10">
              <pb facs="#f0120" n="112"/>
              <l>&#x201E;Und um die Guten da&#x0364;mmert oft und gla&#x0364;nzt</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ein Kreis von Licht und Luft, &#x017F;o lang &#x017F;ie leben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>&#x201E;O Fru&#x0364;hling meiner Kinder, blu&#x0364;he nun</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und altre nicht zu bald, und reife &#x017F;cho&#x0364;n!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>So &#x017F;prach der gute Vater. Vieles wollt'</l><lb/>
              <l>Er wohl noch &#x017F;agen, denn die Seele war</l><lb/>
              <l>Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>Er gab ihn mir und &#x017F;egnet' uns und gieng</l><lb/>
              <l>Hinweg.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Ihr Himmelslu&#x0364;fte, die ihr oft</l><lb/>
              <l>Mich tro&#x0364;&#x017F;tend angeweht, nun athmetet</l><lb/>
              <l>Ihr heiligend um un&#x017F;er goldnes Glu&#x0364;ck!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,</l><lb/>
              <l>Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,</l><lb/>
              <l>Ich Freudige, zu un&#x017F;rer Mutter auf,</l><lb/>
              <l>Zur &#x017F;cho&#x0364;nen Sonne &#x017F;ah! nun da&#x0364;mmert es</l><lb/>
              <l>Im Auge nicht, wie &#x017F;on&#x017F;t im &#x017F;ehnenden,</l><lb/>
              <l>Nun gru&#x0364;ßt' ich helle dich, du &#x017F;tolzes Licht!</l><lb/>
              <l>Und la&#x0364;chelnd weilte&#x017F;t du, und kam&#x017F;t und &#x017F;chmu&#x0364;ckte&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Den Lieben mir, und kra&#x0364;nzte&#x017F;t ihm mit Ro&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Die Schla&#x0364;fe, Freundliches!</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0120] „Und um die Guten daͤmmert oft und glaͤnzt „Ein Kreis von Licht und Luft, ſo lang ſie leben. „O Fruͤhling meiner Kinder, bluͤhe nun „Und altre nicht zu bald, und reife ſchoͤn!“ So ſprach der gute Vater. Vieles wollt' Er wohl noch ſagen, denn die Seele war Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm. Er gab ihn mir und ſegnet' uns und gieng Hinweg. Ihr Himmelsluͤfte, die ihr oft Mich troͤſtend angeweht, nun athmetet Ihr heiligend um unſer goldnes Gluͤck! Wie anders wars, wie anders, da mit ihm, Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt, Ich Freudige, zu unſrer Mutter auf, Zur ſchoͤnen Sonne ſah! nun daͤmmert es Im Auge nicht, wie ſonſt im ſehnenden, Nun gruͤßt' ich helle dich, du ſtolzes Licht! Und laͤchelnd weilteſt du, und kamſt und ſchmuͤckteſt Den Lieben mir, und kraͤnzteſt ihm mit Roſen Die Schlaͤfe, Freundliches!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/120
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/120>, abgerufen am 24.11.2024.