Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826."Hier unten in dem Thale schlafen sie "Zusammen, sprach mein Vater, lange schon, "Die Römer mit den Deutschen, und es haben "Die Freigebornen sich, die stolzen, stillen, "Im Tode mit den Welteroberern "Versöhnt, und Großes ist und Größeres "Zusammen in der Erde Schoos gefallen. "Wo seyd ihr, meine Todten all'? Es lebt "Der Menschengenius, der Sprache Gott, "Der alte Braga noch, und Hertha grünt "Noch immer ihren Kindern, und Walhalla "Blaut über uns, der heimathliche Himmel; "Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht." Ich sah hinab und leise schauerte Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn, Den Guten, die hier unten vormals lebten. Jetzt stand ein Jüngling, der, uns ungesehen, Am einsamen Gebüsch beiseit gesessen, Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt' Ich rufen, das ist Eduard! -- Du bist Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und sah Den Jüngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen, Er faßte schnell mich bei der Hand und zog Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umsehn. Derselbe wars und nicht derselbe! Stolz und groß, „Hier unten in dem Thale ſchlafen ſie „Zuſammen, ſprach mein Vater, lange ſchon, „Die Roͤmer mit den Deutſchen, und es haben „Die Freigebornen ſich, die ſtolzen, ſtillen, „Im Tode mit den Welteroberern „Verſoͤhnt, und Großes iſt und Groͤßeres „Zuſammen in der Erde Schoos gefallen. „Wo ſeyd ihr, meine Todten all'? Es lebt „Der Menſchengenius, der Sprache Gott, „Der alte Braga noch, und Hertha gruͤnt „Noch immer ihren Kindern, und Walhalla „Blaut uͤber uns, der heimathliche Himmel; „Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.“ Ich ſah hinab und leiſe ſchauerte Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn, Den Guten, die hier unten vormals lebten. Jetzt ſtand ein Juͤngling, der, uns ungeſehen, Am einſamen Gebuͤſch beiſeit geſeſſen, Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt' Ich rufen, das iſt Eduard! — Du biſt Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und ſah Den Juͤngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen, Er faßte ſchnell mich bei der Hand und zog Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umſehn. Derſelbe wars und nicht derſelbe! Stolz und groß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0104" n="96"/> <lg n="9"> <l>„Hier unten in dem Thale ſchlafen ſie</l><lb/> <l>„Zuſammen, ſprach mein Vater, lange ſchon,</l><lb/> <l>„Die Roͤmer mit den Deutſchen, und es haben</l><lb/> <l>„Die Freigebornen ſich, die ſtolzen, ſtillen,</l><lb/> <l>„Im Tode mit den Welteroberern</l><lb/> <l>„Verſoͤhnt, und Großes iſt und Groͤßeres</l><lb/> <l>„Zuſammen in der Erde Schoos gefallen.</l><lb/> <l>„Wo ſeyd ihr, meine Todten all'? Es lebt</l><lb/> <l>„Der Menſchengenius, der Sprache Gott,</l><lb/> <l>„Der alte Braga noch, und Hertha gruͤnt</l><lb/> <l>„Noch immer ihren Kindern, und Walhalla</l><lb/> <l>„Blaut uͤber uns, der heimathliche Himmel;</l><lb/> <l>„Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.“</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ich ſah hinab und leiſe ſchauerte</l><lb/> <l>Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn,</l><lb/> <l>Den Guten, die hier unten vormals lebten.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Jetzt ſtand ein Juͤngling, der, uns ungeſehen,</l><lb/> <l>Am einſamen Gebuͤſch beiſeit geſeſſen,</l><lb/> <l>Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt'</l><lb/> <l>Ich rufen, das iſt Eduard! — Du biſt</l><lb/> <l>Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und ſah</l><lb/> <l>Den Juͤngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen,</l><lb/> <l>Er faßte ſchnell mich bei der Hand und zog</l><lb/> <l>Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umſehn.</l><lb/> <l>Derſelbe wars und nicht derſelbe! Stolz und groß,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0104]
„Hier unten in dem Thale ſchlafen ſie
„Zuſammen, ſprach mein Vater, lange ſchon,
„Die Roͤmer mit den Deutſchen, und es haben
„Die Freigebornen ſich, die ſtolzen, ſtillen,
„Im Tode mit den Welteroberern
„Verſoͤhnt, und Großes iſt und Groͤßeres
„Zuſammen in der Erde Schoos gefallen.
„Wo ſeyd ihr, meine Todten all'? Es lebt
„Der Menſchengenius, der Sprache Gott,
„Der alte Braga noch, und Hertha gruͤnt
„Noch immer ihren Kindern, und Walhalla
„Blaut uͤber uns, der heimathliche Himmel;
„Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.“
Ich ſah hinab und leiſe ſchauerte
Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn,
Den Guten, die hier unten vormals lebten.
Jetzt ſtand ein Juͤngling, der, uns ungeſehen,
Am einſamen Gebuͤſch beiſeit geſeſſen,
Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt'
Ich rufen, das iſt Eduard! — Du biſt
Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und ſah
Den Juͤngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen,
Er faßte ſchnell mich bei der Hand und zog
Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umſehn.
Derſelbe wars und nicht derſelbe! Stolz und groß,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |